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Archiv-Artikel

KOMMUNALWAHLEN IN GROSSBRITANNIEN: DENKZETTEL FÜR TONY BLAIR Pyrrhussieg für die Tories

Dem Sieg im Krieg folgte kein Erfolg an der Wahlurne. Der Verlust von mehr als 750 Sitzen in den Kommunalverwaltungen ist ein Denkzettel für die britische Labour Party und ihren Premierminister Tony Blair. Es ist ein Protest gegen den Irakkrieg. Vor allem in den Wahlkreisen mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil erlitt Labour Schiffbruch. Das war freilich nicht anders zu erwarten.

Dass die Verluste nicht erheblich höher ausgefallen sind, wie es nach der Hälfte einer Legislaturperiode eigentlich üblich ist, weil die Wähler dann gern ihre Unzufriedenheit mit allen möglichen Facetten der Regierungspolitik ausdrücken, hat die Labour Party den Tories zu verdanken. Von einem Durchbruch kann für sie keine Rede sein, ihre Zugewinne werden sich als Pyrrhussieg erweisen. Sie könnten ausreichen, um die Position des umstrittenen Parteichefs Iain Duncan Smith zu festigen, zumal sich bei den Konservativen ja nun wahrlich kein Nachfolger aufdrängt. Mit Duncan Smith an der Spitze werden sie jedoch niemals eine Parlamentswahl gewinnen.

Selbst der Gewinn von 550 Sitzen ist für eine Oppositionspartei bei Kommunalwahlen kein überragendes Ergebnis. Zur Erinnerung: Duncan Smith’ Vorgänger William Hague gewann bei den Lokalwahlen vor drei Jahren sogar 1.400 Sitze hinzu, ging bei den Parlamentswahlen ein Jahr später jedoch so kläglich ein, dass er in der Versenkung der Hinterbänke verschwand. Dieses Schicksal wird auch Duncan Smith ereilen.

Wahlgewinner sind die Liberalen Demokraten, die sich bei den nächsten Unterhauswahlen als ernst zu nehmende Konkurrenz für die Tories etablieren können. Der Antikriegskurs des Parteichefs Charles Kennedy hat sich ausgezahlt und hätte noch mehr zu Buche geschlagen, wenn Kennedy mit Kriegsbeginn nicht plötzlich verstummt wäre.

Ging es für Labour in England glimpflich ab, so sieht es in Schottland und Wales für die Partei noch rosiger aus. In beiden Ländern erteilten die Wähler den Nationalisten eine Absage, die für Plaid Cymru in Wales sogar eine vernichtende Abfuhr war. Dennoch gab es eine Stimme für mehr Autonomie, nämlich die Stimme der Nichtwähler. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten blieb zu Hause. Die Schotten und Waliser haben das Interesse an ihren Regionalparlamenten verloren, weil sie in Wales viel zu wenig Macht haben und in Schottland ihre begrenzte Macht nicht ausnutzen, um eine von London unabhängige Politik zu machen. Einen wirklichen Test für die Wirksamkeit der Teilautonomie kann es erst geben, wenn in Cardiff und Edinburgh eine andere Partei als in London regiert. Doch damit ist in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen. RALF SOTSCHECK