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KOMMENTAREDortmund ist nicht Dallas

■ Der Machtkampf um die Übernahme von Hoesch durch Krupp ist noch unentschieden

Die Akteure und Kommentatoren sind verunsichert. Mit einer solch wuchtigen Gegenwehr haben sie nicht gerechnet. Der große Krupp-Deal, die geheime „feindliche Übernahme“ des etwa gleich großen Konkurrenten aus Dortmund, ist allen anfänglichen Zweckmeldungen zum Trotz noch längst nicht perfekt. Verantwortlich für die Ungewißheit über den Ausgang des gefährlichen Spiels „Denver-Clan im Ruhrgebiet“ sind Akteure, die in den Drehbüchern der amerikanischen Serie gar nicht vorkommen: Arbeiter und Angestellte.

Die Beschäftigten von Hoesch haben mehr auf ihrer Seite als gute Argumente — sie verfügen über Macht. Zwar vermag die Montanmitbestimmung gegen Veränderungen in der Eigentümerstruktur nichts ausrichten; auch öffentlicher Protest läuft in solchen Fällen in der Regel ins Leere. Doch in diesem Fall herrschen andere Gesetze: Ein Teil der Kapitalseite steht unter direkter politischer Kontrolle. Eingestylt wurde der Deal unter maßgeblicher Beteiligung der landeseigenen West Landesbank, die zwölf Prozent der Hoesch-Aktien hält. Die Übernahme dieses Anteils hat Krupp-Chef Cromme, in dessen Portefeuille erst 24,9Prozent der Hoesch-Aktien liegen, ebenso fest eingeplant, wie weitere 23Prozent aus den Beständen befreundeter schweizerischer Banken. Letztere werden sich um die Aktionen der Hoesch-Belegschaft kaum scheren, doch bei der West LB sieht das ganz anders aus: Es liegt in der Macht der Rau-Regierung, den Aktienverkauf zu stoppen. Auf diesen politischen Hebel setzen die Hoesch-Betriebsräte. Gemeinsam mit dem Dortmunder SPD-Bürgermeister Samtlebe versuchen sie, „einen Graben zwischen der West LB und Krupp zu ziehen, den keiner überqueren kann“. Sollte die Rau-Regierung, die durch ihren Wirtschaftsminister den Coup umgehend als „durchaus sinnvoll“ bezeichnet hatte, es dennoch versuchen, wird das dann folgende politische Erdbeben sich nicht auf die „politische Hauptstadt der SPD“, unter dieser Bezeichnung firmiert Dortmund bei den Sozis, beschränken.

Die 'FAZ‘, das politische Gewitter ahnend, mahnt schon zur Besonnenheit. „Demonstrationen und Krawalle“ hätten schon im Falle von Rheinhausen „den Belegschaften nicht genützt und dem Ruhrgebiet geschadet“. Dahinter steckt kein kluger Kopf. Das genaue Gegenteil ist richtig. Ohne den erbitterten Kampf der Belegschaft existierte das Krupp-Stahlwerk von Rheinhausen gar nicht mehr, wären die den Strukturwandel fördernden Millionen aus dem Staatssäckel nie ins Revier geflossen. Für die vermeintlich gutinformierten Stahlmanager und Wirtschaftskommentatoren war die Schließung von Rheinhausen 1987 wegen der damaligen Stahlkrise betriebswirtschaftlich geboten, also unumgänglich. Ein fürchterlicher Irrtum, denn die Stahlnachfrage zog in den folgenden Jahren so an, daß die gesamte Stahlindustrie an ihrer Kapazitätsgrenze produzierte. Derzeit durchläuft der Stahlmarkt erneut ein Nachfragetal, das die satten Gewinne der letzten Jahre schmelzen läßt. Aber schon für Ende 1991 erwartet das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI, daß die Rohstahlerzeugung „kräftig ausgeweitet wird“.

Richtig ist, daß im Stahlbereich Unternehmen von der Größenordnung Krupp oder Hoesch angesichts des immensen Investitionsbedarfs zur Kooperation gezwungen sind. Genau dazu dienten die Gespräche der vergangenen Monate zwischen Hoesch und Krupp. In diese Verhandlungen platzte der Übernahmecoup, der statt Kooperation die Dominanz über Hoesch zum Ziel hat. Dieser Übernahme, die auf keinerlei zukunftsfähigen Konzepten fußt, verweigert sich die Hoesch-Belegschaft zu recht. An die unternehmerische Weitsichtigkeit von Cromme, der seinerzeit allein durch seine Rheinhausenener Belegschaft vor einem katastrophalen Fehler bewahrt wurde, zu zweifeln, gibt es allen Grund. Walter Jakobs

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