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KOMMENTAREMutterschaft ist Existenzgründung

■ Auch ein „Wunder“ kostet Geld: Eine Umwertung der Schwangerschaft ist überfällig

Was sind die Voraussetzungen für die Entstehung von Menschen mit einem ausgeprägten Unternehmergeist? Diese Frage stellte unlängst Alt-Bundeskanzler Schmidt in einer Rede über die Möglichkeiten, die wirtschaftliche Selbständigkeit der Sowjetunion zu fördern. Seine Antwort: eine Nacht, neun Monate und dreißig Jahre Ausbildung. Es ist ihm zu danken, daß er Zeugung, Schwangerschaft und Geburt in seine Kalkulation mitaufgenommen hat. Normalerweise nämlich zählen sowohl diese wie auch die ersten achtzehn Entwicklungsjahre des Kindes zu einem heiligen und privaten Bannkreis, den nicht nur konservative Kreise ungern mit klaren wirtschaftlichen Kriterien verknüpft sehen wollen. In den potentiellen Unternehmer mag der Staat frühestens ab dessen 18. Lebensjahr investieren. Die Vorbereitung bis dahin — ihn zu ernähren, zu kleiden und den nötigen Wissengrundstock zu legen — ist Sache der Eltern, beziehungsweise der Mutter.

Die Bundesregierung — mit der katholischen Kirche im Rücken — dringt darauf, „ungeborenes Leben“ nicht abzutreiben — auch dann nicht, wenn soziale Notlagen entstehen. Das soziale Netz soll angeblich engmaschig genug sein, alleinerziehende Mütter aufzufangen. Gemeint ist die Sozialhilfe — das Existenzminimum. Argumentiert wird mit der Heiligkeit des Lebens. Dabei ist bekannt, daß jeder neue Mensch einen wirtschaftlichen Beitrag zu unserer Gesellschaft bildet. Wie sollen in ein paar Jahrzehnten die Rentenversicherungen finanziert werden, wenn deutsche Frauen immer weniger Kinder gebären, lauteten jahrelang die mahnenden Rufe der CDU-Politiker. Als sich die kinderreiche DDR für die freiheitlich-soziale Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik entschieden hatte, wurde diese Frage erst einmal vertagt. Jede Mutter, die ein Kind gebärt, trägt wirtschaftlich zu unserer Gesellschaft bei. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Existenzgründerin. Wir leben in einer Gesellschaft, die fast alles unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sieht — warum wagen wir also nicht auch hier die Umwertung und stellen die werdende Mutter auf das Niveau eines selbständigen Unternehmers. Warum halten wir sie — in einem System, in dem Unabhängigkeit als höchste Tugend gilt und in dem angeblich die Emanzipation der Frau angestrebt wird — in totaler Abhängigkeit und machen sie zur Bettlerin, die darauf angewiesen ist, wenigstens ein Existenzminimum vom Staat gewährt zu bekommen. Zum Trost ihrer Abhängigkeit darf sie sich mit dem Nimbus „Wunder der Natur“ brüsten.

Auch das kleinste Unternehmen erhält von staatlicher Seite die Chance, für seinen Erhalt und seinen Aufbau zinsgünstige Kredite aufzunehmen. Für ein Kind jedoch, den Unternehmer oder jedenfalls Wirtschaftsfaktor von morgen, sieht unser Sozialstaat solche Vergünstigungen nicht vor. Ist das Kind erst einmal geboren, wird es zur Privatsache, und erst dann wieder interessant, wenn es selber anfängt, Steuern zu zahlen. Dabei würde sich gerade bei Kindern die Investition lohnen. Wer von Anfang an ein anregendes soziales Umfeld und den Freiraum, die eigenen Talente zu entwickeln, genießen kann, zahlt es dem Staat doppelt und dreifach zurück. Kinder, die an der Armutsgrenze aufwuchsen, werden später kaum selbständigen Unternehmergeist zeigen. Mit Müttern, die von der Sozialhilfe leben, produziert man die Sozialhilfeempfänger von morgen. Elisa Klapheck/Martina Habersetzer

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