KOMMENTARE: Zänkische Buben
■ Wer wird Vizekanzler? In Bonn darf weiter gerangelt werden
Die Koalitionspartner erlauben sich ein mehrstündiges und ergebnisloses Gerangel um diese immens unwichtige Frage, wie zänkische Buben, die nach Großvaters Abgang um die Plätze auf der Hühnerleiter raufen. Klar wird dabei nur: Wer immer auch das Rennen macht, es beginnt die Zeit der Regierung Kohl pur. Der Name Schwaetzer lädt — seine Trägerin kann nichts dafür— in Kombination mit dem des Kanzlers allenfalls zu Hohn und Spott ein. Und Kohl-Möllemann oder Kohl-Waigel — wen soll das überzeugen, wenn es früher hieß: die Regierung Kohl-Genscher?
Der leicht lädierte Überkanzler Helmut Kohl könnte sich nun in aller Augen als Scheinriese entpuppen: von weitem mächtig groß, schrumpft er bei näherem Hinsehen mehr und mehr zusammen. Wie gut für den Kanzler, daß sich im Moment niemand so recht mit ihm beschäftigt. Aber der überraschende Abschied vom Außenminister wird nur vorübergehend bemänteln, daß Kohl mit dürftigem Gepäck aus den Osterferien zurückgekommen ist.
Die angemahnte Führungskraft zeigt der Bundeskanzler an der falschen Stelle: die starke Hand im Tarifstreit ist vor allem Kraftmeierei. Vom Konsens des Teilens zugunsten der neuen Länder überzeugt diese Auseinandersetzung wohl niemanden. Das neue Regierungspersonal? Die mehrfach für die zweite Jahreshälfte angekündigte große Kabinettsumbildung zerrinnt Helmut Kohl zwischen den Fingern. Die Blaßmänner und -frauen seines Kabinetts haben nämlich nicht einmal das Format, aus Disziplingründen so lange durchzuhalten, bis der Kanzler bessere NachfolgerInnen findet. Nach dem Rücktritt Gerda Hasselfeldts, für die schnell ein unbekannter CSU-Mann folgt, bereinigt die FDP offenbar in eigener Regie ihren Personal-Flop Rainer Ortleb. Und wer nach politischen Konzepten fragt, der konnte vom Kanzler Anfang der Woche fast wörtlich dasselbe hören. Zum vierten Mal in diesem Jahr freute sich Helmut Kohl öffentlich auf die kommenden achtzehn Monate, denn in dieser Zeit wird nicht gewählt. Ansonsten folgen Hülsen ohne Inhaltsangabe: Pflegeversicherung, Maastricht, Finanzen. Der Kanzler hat einfach nichts, leider auch keine ordentliche Opposition.
Kleinlich und entschlossen hat der Kanzler alle Unionspolitiker seiner Generation geschaßt, die ihm das Wasser hätten reichen können. Aber vielleicht hat er am Ende doch wieder Glück. Denn neue Ideen, neue Gesichter für die Union könnten aus Sachsen kommen, wo Kurt Biedenkopf regiert. Den konnte Kohl trotz großer Anstrengungen einfach nicht kleinkriegen. Tissy Bruns
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