KOMMENTARE: Vor der Intervention
■ Mitterrands Flug nach Sarajevo als letzte Warnung vor dem Sturm
Der französische Präsident Mitterrand hat es wieder einmal geschafft, sich in Szene zu setzen. Angesichts des politischen Stils hierzulande tut es geradezu wohl, daß einer der wichtigsten Politiker Europas sich ein Herz faßt und in die umkämpfte Stadt Sarajevo fliegt. Für die Einwohner der geschundenen Stadt ist dieser Akt der Selbstdarstellung zweifelsohne ein Hoffnungszeichen. Europa und die Welt, so Mitterrands Botschaft, lassen euch nicht allein. Haltet aus, wir kommen.
Dieser symbolische Akt sollte in Belgrad die politischen Alarmglocken klingen lassen. Denn Mitterrand war es auch, der vor dem Golfkrieg noch einmal vor Ort zu vermitteln suchte. Wenn das jetzige Unternehmen scheitert, so die Botschaft, wird ernst gemacht. Sowohl bei der Europäischen Gemeinschaft, den Vereinten Nationen wie auch in den USA mehren sich die Stimmen für eine militärische Intervention in Bosnien-Herzegowina. Angesichts der unausgereiften militärischen Strukturen Westeuropas und der logistischen Schwäche der UNO wäre es aber wieder an den US-amerikanischen Truppen, solche Pläne zu verwirklichen. Die Bewegungen der Sechsten Flotte von Sizilien Richtung Adria und die sich widersprechenden Dementis aus Washington jedenfalls deuten darauf hin.
Solange es um die Sicherung des Flughafens in Sarajevo geht, wäre es unvernünftig, gegen diese Planung Sturm zu laufen. Doch was passiert, wenn einige GIs zu Tode kommen? Wird es dann bei den vom bosnischen Präsidenten Izetbegovic geforderten „chirurgischen“ Angriffen auf Stellungen der serbischen Freischärler bleiben? Die Angriffsszenarien auf Serbien selbst liegen in den Schubläden der Verantwortlichen. Angesichts der herrschenden politischen Option, die sich in Rom, Bonn und nun auch Paris durchsetzte, ist Serbien längst als Alleinschuldiger, als „bad guy“ des Krieges ausgemacht. Und dies trotz der differenzierten Position des UN-Generalsekretärs Boutros Ghali.
Derweil kann sich die kroatische Regierung die Hände reiben. Keine der westlichen Regierungen und vor allem Deutschland will wahrnehmen, daß kroatische Truppen nicht nur in Kroatien selbst (Krajina), sondern auch in Bosnien-Herzegowina zum Angriff übergegangen sind und dabei — wie die serbischen Kriegsverbrecher — schwere Schuld auf sich laden. Schon jetzt träumen kroatische Rechtsradikale von der Eroberung ganz Bosnien-Herzegowinas und von der Austreibung der serbischen Bevölkerung im Windschatten westlicher Truppen.
Angesichts der sich entwickelnden militärischen Lage kann nur gehofft werden, daß es der serbischen Anti-Milosevic-Front gelingt, das Regime zu stürzen. Zwar ist es Milosevic bisher stets gelungen, den ökonomischen Boykott und die Bedrohung von außen zu einem Schulterschluß mit großen Teilen der Bevölkerung zu nutzen. Die SerbInnen werden aber hoffentlich erkennen, daß nur der Sturz des Regimes ihr Land vor einem Krieg bewahren kann. Erich Rathfelder
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