piwik no script img

Archiv-Artikel

KOMMENTAR Die fingierte Bürgerinitiative

Konzerne können die direkte Demokratie für ihre Interessen instrumentalisieren – wie die Seilbahn-Debatte zeigt

Der Rechenschaftsbericht der Initiative „Ja zur Seilbahn“ bestätigt: Die sogenannte Bürgerinitiative ist eine Konzerninitiative. Am Beispiel der Seilbahn wird deutlich, wie die Wirtschaft versucht, ihre Interessen durchzusetzen, wenn die Politik gegen sie entscheidet. Die Bezirksversammlung Mitte hat sich zweimal gegen eine Seilbahn über die Elbe ausgesprochen. Daran konnte selbst das Zehn-Millionen-Euro-Geschenk nichts ändern, das die Seilbahn-Baufirma Doppelmayr dem Bezirk in Aussicht gestellt hatte.

Nun versuchen die Seilbahn-Profiteure es also über den Weg der direkten Demokratie – wenngleich der Begriff in diesem Kontext etwas gewagt scheint. Schließlich geht es „nur“ um die Lobbyarbeit der Hamburger Tourismusbranche. Zwar betonen die InitiatorInnen des Bürgerentscheids „Ja zur Seilbahn“, sie seien Privatmenschen und handelten aus tiefster Überzeugung. Dass die Seilbahn ihnen ein wichtiges Anliegen ist, mag man ihnen sogar abnehmen. Schließlich sitzen sie zum Teil selbst in den Verbänden und Unternehmen, für die die Seilbahn eine super Sache ist, oder sind mit ihnen zumindest eng verbandelt. Ob sie die Seilbahn tatsächlich für ein sinnvolles Verkehrsmittel halten, ist allerdings eine andere Frage.

Die Pro-Seilbahn Fraktion scheint kein besonders großes Vertauen in ihre eigene Überzeugungskraft zu haben, wenn sie meint, sich hinter einer fingierten Bürgerinitiative verstecken zu müssen.

Tatsächlich sind die Argumente, die für eine Elb-Seilbahn ins Feld geführt werden, mehr als fadenscheinig: Allen voran der Bezug auf andere Metropolen mit Seilbahnen, den die BefürworterInnen gerne herstellen: Das „umweltfreundliche und platzsparende Verkehrsmittel“ sei schon in vielen Städten weltweit im Einsatz, heißt es in einer Werbebroschüre der SeilbahnvertreterInnen. Die Notwendigkeit einer Seilbahn für Hamburg, beziehungsweise für Hamburg-UrlauberInnen, wird daraus nicht offensichtlich: Nur weil in Rio und La Paz wohlhabende TouristInnen über Favelas schweben können, heißt das nicht, dass Hamburg ein vergleichbares Angebot schaffen sollte.

Und nur, weil sich Konzerne Bürgerinitiativen kaufen können, heißt das nicht, dass sie sich auch öffentlichen Raum kaufen können. Denn letztlich geht es bei dem Bürgerentscheid darum, ob finanzkräftige Firmen es schaffen, öffentlichen Raum für ihre privaten Interessen umzufunktionieren. Oder ob die AnwohnerInnen das Ganze noch rechtzeitig verhindern. Die jetzt schon hohe Wahlbeteiligung beim Bürgerbescheid lässt darauf schließen, dass es den BewohnerInnen des Bezirks Mitte nicht egal ist, ob bald eine Seilbahn über ihren Köpfen die Elbe überquert.  KATHARINA SCHIPKOWSKI