KOMMENTAR: Vergewaltiger-Kameraden
■ Im Bremer Bahnhof ist jede Frau potentielles Opfer
Wenn der Bremer Krankenhaus-Bedienstete Willi M. dienstliche Konserven klaut und seine privaten Socken in der Großwaschküche waschen läßt, fliegt er. Wer als Gerichtsvollzieher Pfandgüter in die eigene Tasche wirtschaftet, muß er gehen. Wenn ein Bahnpolizist im Dienst eine Frau vergewalt, die sich über ein Bahnhofsverbot hinweggesetzt hat, genießt er als Beamter besonderen Vertrauensschutz und erfreut sich weiterhin bester Fürsorgepflicht seiner Vorgesetzten: Seit einem Jahr weiß man in der Bremer Bahnhofsdirektion um die Dienstauffassung des Kollegen Manfred V. Bislang passierte – nichts. V. durfte ohne weiteres weiter die Ordnung des Bremer Bahnhofs hüten, und wenn er nicht „aus familiären Gründen“ von sich aus einen Versetzungsantrag gestellt hätte, täte er es heute noch.
Der Fall ist nicht nur Beispiel für die bewährte Vertuschungs-Kameraderie unter Männern. Er zeigt auch, was jene Bahnhofsbeamten von Frauen halten, die – wenn auch ohne den Kollegen V. – auch heute noch für den Schutz von Bahnhofsgästen zuständig sind: Einen Kollegen zu „verpfeifen“ ist für sie immer noch schlimmer als eine Frau zu vergewaltigen.
Klaus Schloesser
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