KOMMENTAR: Faule Ausrede
■ Für den Senat sind die Übersiedler an allem schuld
Wenn es das realexistierende Loch in der Mauer nicht schon gäbe – der Bremer Senat hätte es erfinden müssen: Wie Regen herbeitrommelnde Stammesfürsten vorzivilisatorischer Naturvölker früher nur ein plötzlicher Monsun über Dürreperioden retten konnte, so hofft heute der Bremer Senat im Aus- und Übersiedlerzustrom, das rettende Ufer zu erreichen. Die Öffnung der Mauer – eine blendend ins lokalpolitische Legitimationsloch passende Naturkatastrophe, die alle Planungsfehler der Vergangenheit gnädig unter sich begräbt – vom fehlenden Kita-Platz bis zur fehlenden Zweizimmer-Wohnung.
Die Aussiedler sind schuld? Das ist bestenfalls eine Halbwahrheit. Bremer Eltern, LehrerInnen, ErzieherInnen, Mieter-Initiativen haben den Senat lange vor dem 9. November vor dem drohenden Mangel erfolglos gewarnt. Ihre Appelle wurden als egoistischer Zweckpessimismus verbucht. Statt auf lebendige Experten in eigener Sache verließ sich der Senat lieber auf Computer, die – mit falschen Zahlen gefüttert falsche Ergebnisse ausspuckten. Bei den nächsten Wahlen müßte der Senat konsequenterweise das Wahlvolk entlassen und sich durch seinen Computer im Amt bestätigen lassen.
Klaus Schloesser
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