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KOMMENTARStatistik-Statisten

■ Koalition: Zahlengläubigkeit als Politikersatz (S.22)

„Ich glaube an keine Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.“ Ob dieser Satz von Winston Churchill stammt, ist nicht verbürgt. Sicher ist: Er muß von einem Politiker stammen, bei dem das angestaubte Lob „Staatsmann“ noch Sinn gemacht hat. Drei Viertelstunden diskutierte die Bürgerschaft, ob der Senat 1985 Weichen mit richtigen oder falschen Zahlenannahmen gestellt hat, ob Abweichungen „absehbar“ oder „unvermeidlich“ waren. Ein Churchill war nicht unter den Rednern.

Die kleinkarierte Kontroverse, wer wann was statistisch hätte wissen können, geht am eigentlichen Kern des Problems haarscharf vorbei: Der Fehler ist nicht die falsche Statistik, sondern die Statistik selbst. In Bremen zum politischen Konzept erhoben, geriet Statistik zunehmend zum Versuch, den galoppierenden Verlust eigener Utopien durch buchhalterische Beamtentugenden zu ersetzen. An die Stelle eines er-dachten Zukunftskonzepts ist die gedankenfaule Herrschaft der Macht des statistisch Faktischen getreten. Die versammelte Opposition bewies gestern vor allem eines: In diesem Punkt ist sie Bremens Sozialdemokraten weit näher als „staatsmännischer“ Statistik-Verachtung.

Klaus Schloesser

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