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KOMMENTARDeutschland, teuer Vaterland

■ Die Milliarden fließen: Wohin ist klar, woher weiß niemand

Na gut, das war uns ja allen klar, daß die Wiedervereinigung teuer wird. Verblüffend ist allerdings, wie hier und da mal so zig Milliarden rübergeschoben werden. 105 Milliarden für den Fonds Deutsche Einheit, 15 Milliarden für den Abzug der sowjetischen Soldaten, 3 Milliarden Anpassungshilfe für die DDR-Wirtschaft, mehrere Milliarden für stornierte Lieferverträge mit der Sowjetunion. Wo die bloß alle herkommen? Wir erinnern uns: Vor einem Jahr beschloß die Bundesregierung ein neues Jugendhilfegesetz. Politiker aller Parteien vergossen große Krokodilstränen. Wie gerne hätten sie einen Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze durchgesetzt. Aber leider, leider, die fehlende Milliarde war beim besten Willen nicht aufzutreiben. Jetzt aber purzeln die Milliarden bei jeder Tagesschau nur so aus dem Bildschirm.

Völlig absurd erscheint es, daß die Bundesregierung bei den angeblich riesigen Kosten der Deutschen Einheit immer noch die Unternehmenssteuer senken will. Statt im Verteidigungshaushalt radikal zu kürzen, läßt sie für 10 Milliarden einen neuen Hubschrauber entwickeln. 40 bis 60 Millionen „Aufwandsentschädigung“ will sie den westdeutschen Beamten nachwerfen, die ein schweres Opfer auf sich nehmen: sie dienen in der ehemaligen DDR. Ihre Ost-Kollegen kriegen natürlich nichts. So sollen die „Lebensverhältnisse“ in Ost und West einander angeglichen werden.

Der Fonds Deutsche Einheit wird aus Krediten finanziert. Jeder darf sich eine Anleihe kaufen und bekommt sie mit acht Prozent gut verzinst. Nur: Wer kann sich das leisten? Die Bundesregierung behauptet nach wie vor, die Wiedervereinigung sei durch Schuldenmachen zu finanzieren. Sie nimmt dafür den Anstieg der Zinsen in Kauf. Der trifft jedoch vor allem die weniger Wohlhabenden, nämlich alle die, die Schulden bei der Bank haben.

Oskar Lafontaine ist jetzt als der Retter der kleinen Schuldner und „Häuslebauer“ auf den Plan getreten. Er fordert eine Ergänzungsabgabe für Besserverdienende. Allerdings will er sich nicht festlegen, wie hoch sie sein soll und wer nach seiner Definition zu den Höherverdienenden gehört. Genügend Geld kommt da nur zusammen, wenn er auch Leute mit Durchschnittseinkommen, also den Facharbeiter mit seinen 3.500 Mark im Monat, zur Kasse bittet. Dies allerdings vor der Wahl zu verkünden, getraut er sich dann doch nicht. Auch seine Forderung nach einer Erhöhung der Mineralölsteuer wagt er nicht mehr zu präzisieren. Fünfzig Pfennig mehr für den Liter Benzin waren im Gespräch. Das ist wegen der sowieso schon steigenden Benzinpreise jetzt wohl zu unpopulär für den Populisten Lafontaine.

Die SPD fordert Finanzminister Waigel seit Monaten auf, endlich die Zahlen auf den Tisch zu legen. Inzwischen scheint festzustehen, daß der Haushalt 1990 um 30 Milliarden teuerer wird als geplant. Für das kommende Jahr, rechnet das Finanzministerium aus, werden 380 Milliarden im gesamtdeutschen Haushalt gebraucht. 65 Milliarden fehlen noch, keiner weiß bislang, wo sie herkommen sollen. Wenn sich Oskar Lafontaine schon getraut, über Solidarabgaben für Besser- und Nicht-ganz-so-gut-Verdienende nachzudenken, sollte er Solidarabgaben der Industrie nicht vergessen. Deren nicht investierte Gewinne sind immer noch die höchsten in ganz Europa. Tina Stadlmayer

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