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KOMMENTARSchonung der Politiker

■ Das Merkle-Urteil und die einseitige Strafverfolgung in den Parteispendenaffären

Kaum in einem der unzähligen Parteispendenprozesse haben die Richter so deutlich die Einseitigkeit der Strafverfolgung dokumentiert wie in ihrem Urteil gegen Hans Merkle. Die Milde gegenüber dem früheren Bosch-Spitzenmanager, von der Staatsanwaltschaft noch als eine der dominierenden Figuren im illegalen Spendensumpf bezeichnet, hat das Gericht mit dem Hinweis auf Mitwisser- und Mittäterschaft von Finanzverwaltung und führenden (CDU)-Politikern begründet. Merkle selbst hat damit sein Ziel erreicht; hatte er doch zu Beginn des von ihm selbst gesuchten Prozesses angekündigt, er werde nicht allein die harte Anklagebank drücken. Merkle hat die Politiker und damit den Parteienstaat moralisch vor Gericht gestellt. Akribisch hatten Richter und Verteidiger aus pateiinternen Schriftstücken und Urkunden zitiert, dazu Zeugen befragt, Widerspruch um Widerspruch aufgelistet — und damit offengelegt, daß die so ahnungslosen Politiker doch vielleicht mehr wußten, als sie im Zeugenstand zugeben wollten. Von Woche zu Woche wurde mehr die Frage aufgeworfen, warum die Ermittlungsbehörden zwar die Spender, nicht jedoch die Empfänger jener windigen Finanztransaktionen in die prallen Parteischatullen vor den Kadi stellten; warum die Staatsanwälte nicht einmal einen begründeten Anfangsverdacht gegen führende Politiker hegten und durch ihre Untätigkeit diese in den Schutz der Verjährung hinüberretteten. Der Verdacht lautet: Die Politiker sollten geschont werden.

Die Politiker spielten freilich auf Zeit — mit Erfolg. Über die Parteienfinanzierung, jahrzehntelang dank legal oder illegal erzielter Steuerbefreiung praktiziert, sollte der Mantel des Schweigens und Vergessens gezogen werden. Denn mehr als nur einmal hat das Verfassungsgericht die gängigen Praktiken als im Grunde verfassungswidrig angemahnt und der zunächst noch einträchtigen Allianz von Spendern und Empfängern schallende Ohrfeigen versetzt. Doch ebenso wie sich Finanzbehörden, deren Spitzen bis in die Ministerien hinein und die Kaste der Politiker im Nebelwerfen übten, zeigten auch die Angklagebehörden und Gerichte nicht gerade Übereifer in der Aufklärung der Parteispendenskandale. Daß der Arm der Staatsanwaltschaft mit der Zeit erlahmte, zeigt sich im Musterländle der Geldwäscher besonders deutlich: Nur gegen einen Politiker, den ehemaligen Kassierer der Landes-CDU wurde Anklage erhoben — die Verjährung steht schon vor der Tür, das zuständige Gericht ist heillos überlastet. Auch so kann die Akte der Parteispendenskandale wohl bald endgültig zugeklappt werden, ohne daß die strafrechtliche Verantwortung der Politiker geklärt wird. Erwin Single

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