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KOMMENTARBritischer Rassismus

■ Die Birmingham Six sind kein Einzelfall

Die Birmingham Six sind endlich auch offiziell rehabilitiert — die britische Justiz ist es nicht. Solange dieses Justizverbrechen nicht zu entscheidenden Änderungen der Strafjustiz und größerer Kontrolle der Staatsanwälte und Richter führt, sind Fällen wie diesem Tür und Tor geöffnet: Der Berufungsprozeß gegen die Birmingham Six hat bewiesen, daß die englische Polizei bereit ist zu lügen, Geständnisse zu erprügeln und Meineide zu leisten, wenn es darum geht, einen Fall „zu lösen“. Richter und Staatsanwälte sind bereit, 16 Jahre lang entscheidende Entlastungsbeweise zu unterdrücken, um den Anschein der Unfehlbarkeit aufrechtzuerhalten. Von einem „Justizirrtum“ kann wahrlich keine Rede sein.

Die Birmingham Six sind keineswegs ein Einzelfall. Die britischen Gefängnisse sind voll von Gefangenen, an deren Schuld zumindest starke Zweifel bestehen. Selbst wenn die Richter in 99 Prozent der Fälle richtig liegen, so bleiben jedes Jahr sechshundert Angeklagte, die unschuldig verurteilt werden. Und die britische Justiz ist selten bereit, später Fehler einzugestehen. Die Arroganz, mit der sich britische Gerichte über die Zweifel an Verurteilungen hinwegsetzen, wird vor allem irischen Gefangenen zuteil. Tiefe Menschenverachtung spricht aus einem Satz des Richters Lord Denning: Hätte man die Birmingham Six damals gehängt, dann hätte es auch keine Kampagne für ihre Freilassung gegeben.

Der britische Rassismus gegenüber Iren und Irinnen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte: Wurden sie in der Vergangenheit in Cartoons verunglimpft und als Affen dargestellt, so sind die Methoden heute kaum subtiler. In englischen Spielfilmen ist es nach wie vor üblich, die Rollen naiver Dummköpfe und fanatischer Gewalttäter mit irischem Akzent sprechen zu lassen. Antiirische Witze füllen Unterhaltungssendungen und ganze Buchregale.

Die britischen Medien, die nun den Birmingham Six hohe Summen für Exklusivinterviews anbieten, haben das Klima geschaffen, in dem die Verurteilungen möglich waren. Ist eine Minderheit erst einmal denunziert, so stößt es bei der einheimischen Bevölkerung weder auf Widerstand noch auf Beachtung, wenn Mitglieder dieser Minderheit Opfer von Fehlurteilen, Sondergesetzen oder staatlichen Todesschußkommandos werden.

Der einzige britische Soldat, der jemals wegen Mordes an einem nordirischen Katholiken zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist, kam nach gut zwei Jahren frei und versieht seitdem wieder seinen Dienst als Rekrutenausbilder.

Selbst die irische Regierung, die beim Kampf gegen die IRA durchaus kooperationsbereit ist, muß ein ums andere Mal die Erfahrung machen, daß der große Nachbar sie nicht ernst nimmt: Auslieferungsanträge werden unvollständig ausgefüllt, Anklagen nach erfolgter Auslieferung rechtswidrig geändert. Wenn die irische Regierung — selten genug — auf die Einhaltung von Gesetzen und Abkommen pocht, wird ihr aus London vorgeworfen, den Terrorismus zu unterstützen. Die Konsequenz aus dem Fall der Birmingham Six kann daher nur lauten, keinen Iren und keine Irin mehr an die rassistische britische Justiz auszuliefern. Ralf Sotscheck

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