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KOMMENTARDer CDU-Absturz

■ Rückkehr des alten rot-grünen Zukunftskonsenses

Als Schicksalswahl wurde diese Landtagswahl apostrophiert. Ein seltsam deplaziert klingendes Wort für eine Wahl, über deren politische Tragweite gleichwohl keinerlei Zweifel bestanden. Mit diesem Absturz der CDU hat das Ende der Ära Kohl begonnen. Ab sofort ist der Bundesrat ein politisches Instrument der SPD. Der rot-grüne Zukunftskonsens, der im deutschen Vereinigungsjahr zerbrach, hat sich wieder hergestellt. Und das ist merkwürdig bei dieser Wahl: Sie hat genau das Ergebnis gebracht, das die CDU befürchten mußte - und sie hat es nicht überraschend gebracht. Mehr noch, mit einem bemerkenswerten Fatalismus haben die Christdemokraten ihren eigenen Wahlkampf überstanden. Kein Wahlkampfauftritt von Wagner, an dem er nicht seine Kunden nicht auf die Niederlage vorbereitete. Die CDU von Rheinland- Pfalz hatte längst den Schwarzen Peter der Regierung in Bonn zugeschoben und praktisch das SPD-Diktum von der Steuerlüge akzeptiert, während die SPD die ganze Spitzenmannschaft aus der Bundespartei anschleppte. Die CDU hat sich den beispielosen Luxus erlaubt, einen Spitzenkandidaten zum Auswechseln, ein Tandem von König und Königsmörder zum wohlfeilen Spott des Gegners anzubieten. All das sind Symptome, die über das Land selbst hinausweisen - Symptome für den inneren Verfall der politischen Klasse in Bonn. Aber auch Anzeichen dafür, daß die Bürger immer mehr die Frage des Regierungswechsels nicht mehr von den sogenannten politischen Grundhaltungen abhängig machen, sondern Parteien als große Dienstleistungseinrichtungen betrachten, deren Effektivität bewertet wird. Die Dienstleistung der CDU überzeugte eben nicht mehr.

Damit sind wir bei den hausgemachten Ursachen. Schon bei dem Stimmenverlust das damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel zeigte es sich, daß die CDU für Korruption, Sklerose, Honoratiorenwirtschaft stand. Es war keine Partei für den Modernisierungsbedarf des Landes. Wilhelms Aufstand ähnelte mehr dem Generationswechsel einer Mafia als einer demokratischen Erneuerung. Wagner selbst trat als Verlegenheitskandidat an. Es war das Geschick von Rudolf Scharping, in Person, Auftritt und Engagment präzise auf eine überjährige Parteienlandschaft antworten zu können. Er verkörperte Modernität, Effektivität und Umweltschutz. Er präsentierte sich als sportiver, radelnder Interessenvertreter eines Landes, das droht, den Anschluß zu verlieren. Jeder Winzer, der im EG-Maßstab wirtschaften muß, weiß, daß ein modernes Management notwendig ist. Jeder Eigenheimbesitzer weiß, daß die Sozis nicht mehr den Besitz bedrohen - daß vielmehr Umweltschutz ist, was den Wert des Besitzes steigert. Jeder Angestellte weiß, daß eine moderne Infrastruktur unverzichtbar ist. Wer es noch nicht so genau gewußt hat, dem machte das Rudolf Scharping vor.

So sollte man sich freuen, daß ausgerechnet das Land, in dem Helmut Kohls Karriere begann, die poltische Wende bringt. Aber ist es wirklich eine Wende? So kontrastreich die SPD auftrat, so wenig allgemeinpolitische Alternativen hat sie tatsächlich geboten. Ein erheblicher Prozentsatz der Wähler machte seine Entscheidung von bundespolitischen Überlegungen abhängig. Aber welche Veränderung suchten sie wirklich? Der Schatten der Vereinigung lag auch über diesem westlichen Bundesland. Daß die sogenannte Steuerlüge eine derart große Rolle spielte, stimmt eher bedenklich. Es ist zu vermuten, daß die Leute sich weniger über die Art der Steuererhöhung, sondern über die Steuererhöhung selbst aufregen. Je weiter westlich die Leute im vereinten Deutschland wohnen, desto gehässiger sind sie gestimmt, daß die guten Steuergroschen für die Ruinen des Realsozialismus verwandt werden. Die SPD hat - und zwar erfolgreich - mit dem Ressentiment der Besitzenden gespielt. Daran besteht kein Zweifel. Die Leute sind unmittelbar daran interessiert, daß das Land eine Vertretung hat, die im Bundesrat ungeschminkt die Landesinteressen vertritt, ohne sich Bonner Programmtik des „Aufschwungs Ost“ einbinden zu lassen. Die anderen SPD-Länder, Nord-Rhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein haben vorgemacht, was Interessenvertretung heißt, wenn die Katastrophe im Osten ins Land steht.

Auch die Option für eine rot-grüne Koalition, die das Wahlergebnis beinhaltet, verspricht für sich keineswegs eine Änderung der Bundespolitik. Die rheinland-pfälzischen Grünen schwanken zwischen Müll-Fundamentalismus und einer gedämpften Bereitschaft, die Chancen der Realität zu akzeptieren. Da ist bestenfalls eine Politik zu erwarten, in der die SPD obstinat an ihre eigenen Ansprüche erinnert wird. Die Bundesgrünen werden aus der Wahl jenen Optimismus gewinnen, um die anstehende Parteireform auf die Wege zu bringen. Aber all das ist Bundesrepublik, das heißt jener Staat, der saturiert in den Herbst 1989 hineinging. Die Zeit stellt andere Aufgaben, als das Fortschreiben eines sozialdemokratischen Modernismus, den im Grunde alle Parteien praktizieren. Aber es wäre von einer Landtagswahl zuviel erwartet, daß sie auch noch die Fragen der Zeit beantwortet. Klaus Hartung

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