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KOMMENTARWesteuropa muß handeln

■ Österreichs Außenminister Mock schlägt Einsatz von Eurotruppen in Jugoslawien vor

Wenn nun sogar das jugoslawische Staatspräsidium von Bürgerkrieg spricht, sollten in Brüssel und Bonn endgültig die Alarmglocken schrillen. Vorbei ist nämlich die Zeit, als serbische und kroatische Politiker noch relativierend sagen konnten, „die Situation zwischen beiden Nationen ist zwar ernst, es hat aber noch keine Toten gegeben“. Mit den Schießereien und Greueltaten in Kroatien, wo sich kroatische Polizisten und serbische Milizen gegenüberstanden, sind auf dem Resonanzboden einer blutigen Geschichte die Volkskörper beider Nationen so weit ins Schwingen geraten, daß politische Lösungen ohne Hilfe von außen unmöglich scheinen.

Daß nun ausgerechnet die geschwächte und am Status quo festhaltende „Volksarmee“ zum Gewinner wird — sie tritt als „Oberschiedsrichter“ auf und kann als einzige Kraft „Ruhe und Ordnung“ garantieren — , läßt den in Jugoslawien durchaus vorhandenen Stimmen der Vernunft noch weniger Spielraum. Die gesamtjugoslawische Reformpartei des Ministerpräsidenten Markovic ist zu schwach, um Serben und Kroaten zum Einlenken zu zwingen; die Kommunisten sind zu diskreditiert, als daß sie mäßigende Positionen durchsetzen könnten; und das früher immerhin noch nach demokratischen Lösungen suchende Lager der Intellektuellen ist über die nationalen Fragen tief gespalten. So ist es durchaus verständlich, wenn der österreichische Außenminister Alois Mock vor der Illusion warnt, mit Appellen von außerhalb schnell etwas erreichen zu können. Sein Vorschlag, eine europäische Friedenstruppe zu entsenden, ist angesichts des Ernstes der Situation ein dramatischer Versuch, die Aufmerksamkeit auf die Region zu lenken.

Schon im letzten Jahr gab es in Jugoslawien angesichts der Unterdrückung der Albaner in Kosovo Stimmen, die eine Intervention der UNO forderten. Sie wurden nicht ernstgenommen. Es sei auch nicht die UNO, die handeln müsse, verweist Mock zurecht, sondern die Europäische Gemeinschaft. Wenn Brüssel und Bonn aber immer noch an der politischen und finanziellen Unterstützung der alten zentralen Apparate festhalten, tragen sie mit zur steigenden Spannnung bei. Es ist höchste Zeit, politische Lösungen, die eine Spaltung des Landes einbeziehen, zu formulieren — und zwar vor dem Delors-Besuch. In Jugoslawien herrscht nämlich Alarmstufe Rot. Erich Rathfelder

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