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KOMMENTARLacherfolge für Diepgens Kleinstkunsttruppe

■ Mit der Ernennung zur Hauptstadt hat sich die Liebe der Bonner zu Berlin vollkommen erschöpft

Als CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky kürzlich vor seiner Partei Rechenschaft über die Arbeit der großen Koalition ablegte, da vergaß er nicht, auch einen Erfolg des CDU/ SPD-Senates zu erwähnen. Die Entscheidung des Bundestages für Berlin als Regierungssitz — dadurch allein schon werde die Koalition gerechtfertigt, meinte Landowsky. Daß er das eigens erwähnen mußte, ist kein Zufall. Schließlich gerät der Beschluß des Bundestages, den der CDU-Politiker noch einmal feierte, zunehmend in Vergessenheit. Die Liste der Ministerien, die nun doch in Bonn bleiben sollen, verlängert sich stündlich, und als Termin für den Umzug von Parlament und Regierung haben die Bonner Beamten längst schon den Sankt-Nimmerleins-Tag festgelegt.

Nur schwerlich läßt sich dieses Geschiebe als überwältigender Sieg für den Senat interpretieren — es sei denn, die Stadtregierung verbucht auch die Bonner Lacherfolge für den Verkehrssenator und die notorisch vergeblichen Betteltouren des Finanzsenators auf der Habenseite. Vielleicht als komödiantische Spitzenleistungen der Kulturstadt Berlin? Daß die Bonner unter solchen Umständen mit der Hauptstadtentscheidung ihre Sympathiegefühle für Berlin vollkommen erschöpft haben, ist allerdings kein Wunder. Seit dem Tag dieses von Landowsky so gerühmten Erfolges blitzt Eberhard Diepgen mit neuen Wünschen beim Bundeskanzler regelmäßig ab, egal ob es um mehr Geld für den Ostteil oder die Erhaltung der Mietpreisbindung geht. Jetzt schon bekräftigen die Bonner hinter vorgehaltener Hand ihre wilde Entschlossenheit, zusätzliche Finanzwünsche für Olympia ebenfalls abzulehnen. Sie empfehlen den Berlinern väterlich, »sich nicht zu übernehmen«. Der Rat ist gut. Weil Neuwahlen erst in vier Jahren anstehen, kommt er für Eberhard Diepgen und seine Kleinstkunsttruppe leider zu spät. Hans-Martin Tillack

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