KOMMENTAR: Handelsreisender
■ Jürgen Möllemann will dem deutschen Außenhandel gutes tun und beackert die GUS
Was George Bush recht ist, kann Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) nur billig sein. So wie der US-Präsident kürzlich versuchte, der amerikanischen Autoindustrie den japanischen Markt zu erschließen, will Möllemann den Telekommunikations-Konzernen aus München und Stuttgart den europäischen Teil der Ex-Sowjetunion sichern. Auch wenn Bush als Bittsteller und Möllemann als Marktmacher reiste, das Prinzip bleibt das gleiche: Regierungen werden zu Handelsreisenden der Industrie ihres jeweiligen Landes.
Möllemann, der ja schon dereinst als Staatssekretär in Genschers Außenamt die Förderungen des bundesdeutschen Außenhandels als oberste Regierungsaufgabe als Direktive an die Beamten ausgab, agiert auf dieser Ebene inzwischen durchaus erfolgreich. In Rußland bekam er die Zusage, daß die Außenwirtschaftsbank wie bisher für die Bezahlung deutscher Importe bürgt — die zentrale Voraussetzung dafür, daß auf deutscher Seite die Exporte über die Hermesbürgschaften des Bundes versichert werden können. Besonders für die Betriebe in Ostdeutschland, bei denen 700.000 Arbeitplätze noch immer von Exporten in die Ex- Sowjetunion abhängen, ist das ein Hoffnungsschimmer.
Doch leider bedeutet die russische Zusage nur, daß die Außenhandelsbank die Absicht hat, die im Ausland gekaufte Ware auch zu bezahlen. Ob sie das bei Eingang der Rechnungen auch können wird, steht in den Sternen. Dort ist auch Möllemanns zweiter Erfolg angesiedelt: Das Telekommunikationsprojekt „Romantis“. Möllemann weiß zwar, daß die elektronische Völkerverbindung (im Falle der GUS-Staaten wirklich eine romantis'sche Idee) 7,5 Milliarden Mark kosten wird. Doch die Finanzierung, so heißt's im Nebensatz, „ist noch nicht gesichert“.
Ziemlich sicher scheint hingegen, wer nach Möllemanns Vorstellungen für Romantis bezahlen darf: Wir alle. Weil nämlich wieder Hermesbürgschaften für GUS-Exporte gegeben werden können, werden Siemens oder SEL gerne den Auftrag ausführen. Weder Rußland noch die Ukraine, geschweige denn Kasachstan wird die Devisen zur Bezahlung aufbringen können — Der Weltmarktpreis für Buntmetalle ist gerade wegen des Angebots aus der Ex-UdSSR deutlich gefallen. Der Bund wird die Versicherung also auszahlen müssen. Die Elektromultis machen ein sicheres Milliardengeschäft, das Risiko trägt die Staatskasse _ frei nach dem christliberalen Motto: Wer hat, dem wird gegeben. Donata Riedel
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