piwik no script img

KOMMENTARDie Ampel flackert

■ Dummheit oder hinterfotzige Binnenintrige?

Daß Ursache und Wirkung auch die Politik bestimmen, spürt die Bremer Ampel so kurz nach ihrem Aufleuchten deutlich. Vor allem Rot und Grün flackern heftig. Jetzt rächt sich, daß die Koalition trotz vieler Sitzungen erbärmlich ausgehandelt worden ist. Ressortzuschnitte sind bei Einparteienregierungen weniger wichtig als in Koalition. Während sich dort die Personen der einen Partei profilieren, müssen hier mit den Personen auch die verschiedenen Parteien Profil gewinnnen. Was die Grünen bewogen haben kann, der Ressortkarikatur für Helga Trüpel zuzustimmen, kann entweder nur Dummheit oder hinterfotzige Binnenintrige gewesen sein. Aus dem Kindlein kann nichts mehr werden. Jetzt sind nur noch jämmerliche Hilfskonstruktionen möglich, die ein politisches Verröcheln nicht verhindern werden. Wo soll grünes Profil in diesem Senat noch herkommen?

Die vornehme Zurückhaltung der Koalitionsrunde in Sachen Geld hat die inhaltlichen Vereinbarungen von Anfang an Makulatur werden lassen. Der Vorgriffshaushalt '92 ist nicht der Umverteilungshaushalt, von dem Fücks einst schwärmte, weil er beim Sparen neue Akzente setzen wollte. In Wahrheit teilt jetzt der Finanzsenator Minimalquoten zur Erledigung der anfallenden Dringlichkeiten zu. Die von der Finanzverwaltung erlaubten Mittel können die Fachverwaltungen auch ohne die Politik verteilen. Zusammengebrochene Heizungen und asbestverseuchte Gebäude setzen die Prioritäten von selbst. Die große Umschichtung der knappen Mittel, von denen Grün einst phantasierte, sind ausgeblieben und werden weiter ausbleiben; denn jeder muß wissen, daß in diesen Tagen die Festlegungen für die ganze Legislaturperiode erfolgt sind. Der enge Hauhaltsbegriff wird am Ende den Gesamthaushalt '92 bestimmen. Der wiederum bestimmt den mit ihm verkoppelten Haushalt '93 und damit auch die folgenden. Um aus der Armut des ersten Jahres herauszukommen, müßten in den Folgejahren außergewöhnliche Steigerungsraten stattfinden. In Wahrheit findet aber zur Zeit Schrumpfung statt, die alle Folgejahre bindet.

Kultur wird also wie alle anderen sparen müssen und keine Aufstockung erfahren. Was immer ihr die Finanzer zuraunen, Helga Trüpel darf sich nicht einlullen lassen. Geheime Gelder gibt es nicht. Was die Umverteilung bringt, hat sie jüngst erfahren. Hilfeschreie in der Öffentlichkeit sind Ohnmachtsignale, die keinen Kollegen rühren. Warten wir also auf die Fücks'schen Handlungsspielräume, in denen er ohne Geld die Wirksamkeit grüner Gedanken demonstrieren wird. Er heißt Grün hoffen.

Den Ausweg aus der Krise hat Bremens Bürgermeister jüngst verkündet: Bremen will mehr vom Kuchen. Gleichstellung mit dem Saarland in '92 und '93 und ab 1995 Hilfe durch den neuen Länderfinanzausgleich. Aber Bremens Mühlstein sind die 15 Milliarden Schulden. Wedemeier hoffte, in der SPD-Front des Bundesrates den Einstieg in die neuen Verhältnisse zu finden. In der Tat sind Kleine nur stark, wenn sie im allgemeinen Streit am Ende auf der richtigen Seite stehen. So hat es weiland Bürgermeister Smidt auf dem Wiener Kongreß als Bremer Winzling im Konzert der Großen gehalten: Bremen jedoch nimmt heute keiner wahr. Im Steuerstreit trieb Bremen ohne eigene Position im Sog der SPD-Parolen mit, und Stolpes Eigenrolle hat Wedemeier kalt erwischt, obwohl doch beide die einzigen Ampelchefs im Lande sind. Das Lehrstück zeigt: von Lafontaine bis Stolpe, von Engholm bis Scharping, an Bremen denkt keiner. Und Waigel schon gar nicht.

Wo also liegt die Perspektive? „Armut auf hohem Niveau“, wie Kröning tröstend die Abwesenheit von Politik in Bremen beschreibt, ist keine Lösung. Nach dem letzten Bundesrats-Desaster muß Bremens Politik ernsthaft überdacht werden. Von wem nur? Thomas Franke, Senator a.D.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen