KOMMENTAR: Nach der Heimkehr der Panzer
■ Wem nützt eine "Militarisierung" der Politik im Südlibanon?
Nach der Heimkehr der Panzer Wem nützt eine „Militarisierung“ der Politik im Südlibanon?
Die israelischen Panzer sind heimgekehrt. Wieder einmal stehen die Bewohner Südlibanons vor den Trümmern ihrer tagelang von israelischem Artilleriefeuer „belegten“ Dörfer, wie es so harmlos in den Berichten heißt. Die Menschen in Nordisrael verbrachten die letzten Tage in Schutzräumen. Israel rückte zu Vergeltungsaktionen aus. Die schiitische Hizbollah dagegen übt „die Rache der Partei Gottes“. Rationale Vergeltung gegen religiöse Rache, das hat man in den westlichen Medien gerne. Daß die Mörder der drei israelischen Rekruten, die angeblich alles auslösten, nicht aus dem Libanon kamen, ging im Kampfgeschrei unter.
Alles deutet darauf hin, daß es eine lang geplante Aktion der israelischen Armee war. Was aber nützt Israel eine Eskalation im Südlibanon? Gerade in einer Zeit, wo doch das Wort vom Frieden in Nahost seit Madrid in aller Munde ist? Die Ermordung des Generalsekretärs der Hizbollah war kein Zufall. Um so verwunderlicher, warum es gerade ihn traf. Gehört er doch eher zum gemäßigten Flügel der Hizbollah, der die Milizen in eine Partei umwandeln will. Sollte Israel kein Interesse an der neuen politischen und gewaltfreien Kultur im Libanon haben? Der Krieg gegen schiitische Terror-Stellungen läßt sich nun einmal einfacher vermarkten als die Bekämpfung von Hizbollah-Parteizentralen. Vielleicht brauchen die Hardliner in Israel diesen militanten Feind. Bietet er ihnen doch die Legitimation für ihre hochgerüstete „Sicherheitszone“, die de facto besetztes Gebiet ist.
In den Nahostverhandlungen ist bis zur US- Wahl nicht viel zu erwarten. Bush könnte sich zu sehr am Nahen Osten die Finger verbrennen. Also werden weiter unvermindert Siedlungen gebaut — eine andere Spielart der Eskalation. Die Stimmen im arabischen Lager, die die Verhandlungen gerade jetzt nicht platzen lassen wollen, verlieren langsam an Boden. Das zeigt der Streit unter den Palästinensern über die Abreise zu den Washingtoner Gesprächen. Gewonnen hat noch einmal der Teil, der Angst hat, daß der Schwarze Peter für den Abbruch der Verhandlungen den Palästinensern zugeschoben wird. Es ist nicht leicht, den eigenen Leuten zu vermitteln, warum man verhandeln sollte, nachdem Israel Palästinenserlager im Südlibanon beschoß.
Die syrischen und libanesischen Delegationen packten bereits die Koffer für Washington, während ihre Armeen sich heraushielten. Die Verhandlungen haben also eine Eskalation wie beim israelischen Einmarsch 1982 verhindert. Paradoxerweise aber machten die Nahostgespräche gerade deshalb diese „begrenzte Militäraktion“ erst möglich. Ein zweischneidiges Schwert, wie es auf arabisch heißt. Eine Alternative zu den Verhandlungen gibt es jedoch für die arabische Seite nicht. Karim el-Gawhary
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