KOMMENTAR: Pieroth und die Prinzen
■ Der Finanzsenator gibt ohne Not städtische Rechte preis
Unseren alten Kaiser Wilhelm wollen wir natürlich nicht wiederhaben. Auch auf die museale Präsentation seines Sterbezimmers können wir gut und gerne verzichten. Die Humboldt-Universität braucht ihre Räume zweifellos dringender als die Berliner Royalisten einen Wallfahrtsort. Doch wenn jetzt der Kaiserenkel wiederhaben will, was seiner Familie nach ihrer Abdankung geblieben war, dann wollen wir ihm das nicht verdenken. Sein hochadeliger Großmut, auf eine postwendende Kündigung der Altmieter zu verzichten, gehört jedenfalls nicht zu den Primärtugenden all der republikanischen Glücksritter, die die Immobilienszene dieser Stadt beherrschen.
Noch lieber wäre es uns freilich, der Finanzsenator würde es sowohl den Prinzen wie den Parvenus erschweren, auf allzu leichtem Weg an allzu große Vermögen heranzukommen. Daß Pieroth auch solche Grundstücke reprivatisieren will, die nach dem Einigungsvertrag gar nicht zurückgegeben werden sollten, klingt fürstlich großherzig. Es läßt sich aber nur schwer mit den Verpflichtungen vereinbaren, die der Senator gegenüber dem Berliner Souverän hat. Der heißt bekanntlich nicht Louis Ferdinand.
Einige Juristen mögen dem Finanzsenator attestieren, sein Vorgehen sei legal. Rechtlich zwingend ist es offensichtlich nicht. Warum wartet der Senat nicht ab, ob die Alteigentümer vor Gericht ihre Ansprüche durchsetzen können? Das kann, zugegeben, länger dauern. Doch langwierig wird es auch, wenn Pieroth sich durchsetzt: Rückgabeverfahren wurden in Berlin bislang nicht mit olympischer Geschwindigkeit absolviert. Sondern mit preußischer Pingeligkeit. Hans-Martin Tillack
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