KOMMENTAR: Olympische Symbole
■ Reagan und Gorbatschow als Olympia-Botschafter
Wer gedacht hatte, daß die von Pannen begleitete Berliner Olympiabewerbung an Peinlichkeit nicht mehr zu steigern sei, sah sich gestern erneut getäuscht. Die Aufregung über die geplanten Bestechungsversuche von IOC-Mitgliedern war noch nicht verraucht, da leistete sich Berlins Regierender einen neuen Fauxpas von wahrhaft internationalem Rang: Bei der Vorstellung in Barcelona verkündete Eberhard Diepgen gestern, man wolle Ronald Reagan und Michail Gorbatschow am 9. November die Ehrenbürgerschaft verleihen, um sie dann als Botschafter für die Spiele zu engagieren. Die einstigen Feinde glücklich vereint, die einst mächtigsten Männer der Welt friedlich werbend für friedliche Spiele, und das ausgerechnet am 9. November. Und damit nicht genug: Um den Widerstand im eigenen Land zu brechen, soll auch der Kanzler zum Ehrenbürger erhoben werden — am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit.
Diepgen scheint die Devise zu treiben »Angriff ist die beste Verteidigung«. Es ist mehr als politische Instinktlosigkeit, daß man die Betreffenden vorher nicht gefragt hat, ob sie für ein solches Werbespiel zur Verfügung stünden. Das politische Kalkül, erst mit der Ehrenbürgerwürde zu winken und dafür eine kleine Gegenleistung zu erwarten, ist allzu offensichtlich. Geradezu grotesk ist der Versuch, mit der Inszenierung von deutschen Gedenktagen der Bewerbung Berlins einen symbolischen Gehalt zu verleihen, den sie nun einmal nicht hat. Wir erinnern uns: Im letzten Jahr sollte erst am 3. Oktober, dann am 9. November das »Tor der Deutschen« für den Verkehr geöffnet werden, was am Koalitions-Hickhack scheiterte. Ob die jeweiligen Ehrenbürgerschaften in diesem Jahr möglicherweise am Brandenburger Tor verliehen werden sollen, verriet Diepgen gestern nicht. Peinlichkeit sollte spätestens dann zur olympischen Disziplin erhoben werden. Kordula Doerfler
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen