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KOMMENTARWorte statt Kompetenzen

■ Berlin braucht eine »Entwicklungsverträglichkeitsprüfung«

Der Senat hat sich bekannt zur Verantwortung für die eine Welt. Nicht allein durch allgemeine Erklärungen, sondern auch mit konkreten Vorhaben, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Das ist gut so. Die sogenannten Dritte-Welt- Gruppen, die multikulturellen Initiativen und die Entwicklungshilfeorganisationen wissen nun, worauf sie rechnen können in unserer Stadt. Gut ist auch, daß mit diesen Leitlinien zur Entwicklungszusammenarbeit die regierenden Parteien in die Pflicht genommen worden sind.

Nun muß sich zeigen, was solche Erklärungen in der täglichen Arbeit wert sind. Man wird sehen, welches Recht die Landesstelle hat, die Positionen, zu denen sie sich bekennt, auch von der Gesamtberliner Politik einzufordern. Wird es möglich sein, die Entscheidungen auch der Senatsressorts, die scheinbar gar nichts mit Entwicklungspolitik zu tun haben, einer »Entwicklungsverträglichkeitsprüfung« zu unterziehen? Gibt es für die Landesstelle zum Beispiel eine Chance einzugreifen, wenn vielleicht der Senator für Inneres beschließen sollte, Polizisten aus Guatemala an Berliner Einrichtungen auszubilden? Hat die Landesstelle etwa das Recht, ein wirtschaftliches Vorhaben in Afrika zu stoppen, wenn absehbar ist, daß es negative Folgen für die Menschen dort haben wird? Können verkehrspolitische Beschlüsse verhindert werden, wenn sie — auch mittelbar — Vereinbarungen beispielsweise von Rio zuwiderlaufen?

Doch von Kompetenzen ist in den Leitlinien keine Rede. Aber eigentlich ist genau das die Forderung der engagierten Kräfte in Deutschland: endlich zu akzeptieren, daß sich Entwicklungspolitik nicht auf entwicklungspolitische »Maßnahmen« beschränkt. Diese sind ohnehin oft vor allem ein Versuch, die Auswirkungen der Entscheidungen anderer politischer Ebenen für die Menschen im Süden zu mildern. Ein neues Verständnis für die globalen Auswirkungen von lokalem Handeln sollten die Leitlinien nach dem Willen der an der Diskussion beteiligten Berliner Gruppen zum Ausdruck bringen. Dies aber konnte der Senat offensichtlich nicht mittragen. Vera Buerschaper/Rolf Lennig

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