KOMMENTAR VON ULRIKE FOKKEN ZUM ÜBERWACHUNGSWAHN UND ZU DEN VERSÄUMNISSEN DER DEUTSCHEN POLITIK : Angst lesen Seele mit
Angst kann paranoide Züge annehmen. Nach den Attentaten vom 11. September 2001 hatten die Amerikaner verständlicherweise Angst und ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Die Angriffe trafen die Amerikaner in ihrer Heimat, also dort, wo sie am verwundbarsten waren, weil sie sich dort am sichersten fühlten. Nachvollziehbar, dass die amerikanischen Behörden alles daransetzten, diese Sicherheit wiederherzustellen. Die Angst setzte kreative Energie frei, lockerte Etatposten und inspirierte Geheimdienste, private Überwachungsfirmen und Softwareunternehmen, Überwachungsprogramme zu entwickeln. Der Wahn begann.
Das Ausmaß dieses Überwachungswahns offenbart sich dank der Enthüllungen von Edward Snowden und der britischen Zeitung Guardian. Jetzt weiß die Welt, dass die Überwachung total ist. Die USA sammeln nicht nur Milliarden Verbindungsdaten, sie lesen dank des Programms XKeyscore alle Inhalte sämtlicher Kommunikationen und Bewegungen. Von jedem, und das ist neu, selbst wenn schon zu Beginn der Snowden-Enthüllungen der Eindruck entstand, dass die Amerikaner mit Prism schon alles wissen. Die USA handeln somit wie ein totalitärer Staat, nur bespitzeln sie nicht nur die eigenen Bürger, wie Diktaturen das tun. Die USA überwachen jeden Menschen auf der Welt, der sich in welcher Form auch immer im Internet bewegt. Das ist eine Neudefinition von Weltmacht.
Die Bundesrepublik Deutschland steht wie eh und je zu den USA, daran hat die rot-grüne Regierung unter Kanzler Schröder und Außenminister Fischer festgehalten, und das ändert auch Kanzlerin Angela Merkel nicht. SPD, Grüne und CDU/CSU haben den Amerikanern den Zugang zu den Daten der deutschen Bürger und Unternehmen gewährt, wie Indizien und Einzelinformationen zeigen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist daher nicht mehr die Frage, ob Merkel und ihre Regierung von der Totalüberwachung der USA in Deutschland wussten. Die Frage lautet, wie die Bundesregierung aus der Nummer wieder rauskommt. Die ehrpusseligen Überwacher in den Gremien des Bundestags versuchen, mit den bürokratischen Mitteln des 20. Jahrhunderts die Technik des 21. Jahrhunderts zu überwachen. Merkels Satz vom Internet als Neuland zeigt die völlige Überforderung der Regierung, die Demokratie in den Grundfesten zu schützen.