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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON MICHAEL BRAUN ZUM BIOSKANDAL IN ITALIEN Der grüne Krieg

Auch in deutschen Hühnerställen wurden systematisch die Bionormen verletzt

Schon zum zweiten Mal seit Ende 2011 erlebt Italien einen großen Bioskandal – einen Skandal, der den ganzen europäischen Markt angeht. Denn die konventionell angebauten Futtermittel, die von offenbar gut organisierten Banden einfach auf „Bio“ umetikettiert wurden, wurden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Drittmärkte exportiert.

Da mag der Eindruck entstehen, auf italienische Bioprodukte sei einfach kein Verlass. Also Hände weg von Orangen, Kiwis oder Salatköpfen, die südlich der Alpen angebaut wurden? Das wäre der falsche Alarm, aus mehreren Gründen. Denn die von den Betrügern vermarkteten Produkte stammten bisher in keinem Fall aus Italien selbst: Italiener drehten zwar das große Rad – ihre Ware bezogen sie durchweg aus Osteuropa.

Mehr noch: Es waren die beiden größten Bioverbände des Landes, Federbio und Assobio, die früh vor den kriminellen Netzwerken warnten, die verdächtige Händler und Kontrollstellen beim Namen nannten. Schon deshalb gibt es kein Motiv, die gesamte italienische Biobranche in Haftung zu nehmen und ihr das Etikett „südländischer“ Unzuverlässigkeit aufzukleben.

Nur zur Erinnerung: Auch in deutschen Hühnerställen war letzthin zu beobachten, wie in großem Maßstab systematisch die Bionormen verletzt wurden, um die Gewinnmargen zu erhöhen. Wo immer das Biobusiness industrielle Maßstäbe erreicht, lockt es Betrüger an, die mit Methoden der organisierten Kriminalität Millionenmargen abgreifen.

Zum Zuge kommen sie immer dann, wenn mit der Vergabe der Biosiegel betraute Kontrollstellen das Spiel mitspielen, aus Laschheit oder als Komplizen. „Green War“ hat die italienische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Futtermittelbetrüger genannt, und der „grüne Krieg“ muss vor allem hier ansetzen: bei einer weitaus systematischeren Kontrolle der Kontrolleure.

Oft genug – in Deutschland genauso wie in Italien – sind es Privatiers, die ihrerseits mit gewinnorientierten Unternehmen die Biozertifizierung vornehmen. Und es geht ein wenig zu wie bei den Ratingagenturen: Bezahlt werden die Prüfer ausgerechnet von jenen Unternehmen, denen sie die Biobonität bescheinigen sollen. Dieses System mag in der Regel gut funktionieren, doch die immer größer werdenden „Ausnahmen“ belegen, dass es grundsätzlich überdacht werden sollte.