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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON MALTE KREUTZFELDT Fakten, Fakten, Fakten schaffen

Bis zum Volksentscheid oder bis zu den Wahlen muss es einen Baustopp geben

Der Widerspruch könnte größer nicht sein: „Bei uns entscheiden Parlamente“, verkündet Bahnchef Rüdiger Grube. „Die Landtagswahl wird die Bürgerbefragung über Stuttgart 21“, verspricht Kanzlerin Angela Merkel. Gleichzeitig wehren sich beide mit allen Mitteln gegen einen Baustopp für das umstrittene Megaprojekt – und versuchen auf diese Weise zu verhindern, dass der Landtag nach der Wahl überhaupt noch etwas zu entscheiden hat. Die angeblichen Verteidiger der parlamentarischen Demokratie betreiben so eine Entmündigung des Parlaments und damit der Wähler.

Die Strategie ist offensichtlich: Auch die Befürworter wissen, dass das Projekt derzeit nicht unumkehrbar ist. Zwar gibt es Beschlüsse und Verträge, aber in einer Demokratie kann jeder Beschluss revidiert, jeder Vertrag gekündigt werden – die Frage ist allein, zu welchem Preis. Dieser wird derzeit aktiv gesteigert: Jede eingerissene Wand, jeder gefällte Baum, jeder neu unterschriebene Vertrag treibt die Kosten des Ausstiegs weiter in die Höhe. Das erklärt, warum rücksichtslos Fakten geschaffen werden. Mit jedem Tag ohne Baustopp, so das Kalkül der Befürworter, sinken die Chancen, das Projekt Stuttgart 21 zu begraben.

Angesichts des absehbaren Regierungswechsels in Baden-Württemberg kommt dieses Hochtreiben des Ausstiegspreises einer bewussten Veruntreuung von Steuergeld gleich. Und es ist ein Anschlag auf die Demokratie, denn es soll künftige Entscheidungen unmöglich machen. Das Argument der Befürworter, dass die Parlamente in der Vergangenheit bereits zugestimmt haben, zieht nicht. Denn seitdem sind viele neue Fakten bekannt geworden, was die Geschäftsgrundlage verändert. Und die Behauptung, dass in Deutschland nie wieder ein Großprojekt realisiert würde, wenn jedem Protest nachgegeben würde, ist Unsinn. Wenn es einen so breiten, so gut informierten Widerstand gibt, darf die Politik das nicht einfach ignorieren.

Wenn die Strategie der Befürworter aufgehen sollte und der neue Landtag angesichts weiter gestiegener Ausstiegskosten am umstrittenen Projekt festhalten würde, wären die Folgen dramatisch. Wenn politische Entscheidungen durch Wahlen nicht mehr revidiert werden können, wird die Parteienverdrossenheit weiter zunehmen. Nur ein Baustopp bis zu einem Volksentscheid oder bis zur Landtagswahl im März kann bleibenden Schaden für die Demokratie verhindern.