KOMMENTAR VON JUTTA LIETSCH : Lob für die Kanzlerin
Angela Merkels Botschaft an die chinesische Regierung war ebenso klar wie vernünftig: Ohne eine Verständigung mit Peking haben wirksame Strategien im Klimaschutz oder beim Wettbewerb um Rohstoffe und Märkte keine Chance. Es führt kein Weg daran vorbei, enger zusammenzuarbeiten.
Diese Position der Kanzlerin kam in China gut an. Das lag sicherlich nicht zuletzt an ihrem Stil: Merkel vertrat ihre Ansichten freundlich und sachlich – ohne dabei herablassend oder anbiedernd zu wirken.
So pries sie im Gespräch mit höheren KP-Funktionären in der zentralen Parteischule die Vorzüge politischer Offenheit und eines Mehrparteiensystems. Vom Vizepräsidenten Xi Jingping, der als nächster Staats- und Parteichef und damit kommender mächtigster Mann Chinas gehandelt wird, ließ sie sich erklären, wie die KP den ideologischen Spagat zur Marktwirtschaft bewältigt. Und sie traf sich mit kritischen Intellektuellen.
Pekings Politiker beabsichtigen, die Beziehungen zu Europa auszubauen. Sie wollten daher von der Kanzlerin wissen, wie es weitergeht in der für sie sehr konfus wirkenden EU und mit dem Euro. Die Deutschen sind nicht nur Chinas wichtigste Geschäftspartner in der EU mit einem Handelsvolumen von rund 100 Milliarden Euro, sondern gelten auch als eine Art politischer Brückenkopf in dem komplizierten Vielstaatenklub. Natürlich aber wird Chinas Verhältnis zu den USA auch weiter die höchste Priorität genießen.
Chinesische Diplomaten haben erkannt, dass sich viele Staaten vor der so rapide gewachsenen Wirtschafts- und Militärmacht ihres Landes zu fürchten beginnen. So waren die Pekinger über die heftige Reaktion im Ausland über ihr ruppiges und unflexibles Auftreten beim Klimagipfel in Kopenhagen überrascht. Der freundliche Empfang Merkels in China zeigt nun das Bemühen der chinesischen Führung um ein besseres Image.
Noch vor nicht allzu langer Zeit galt die Kanzlerin in Peking als Politikerin, „die uns nicht verstehen will“ und die China als größere DDR sieht. Vor allem nach dem Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt war sie der Inbegriff eines schlechten Menschen. Davon ist nach kurzer Eiszeit nichts mehr zu hören. Fazit: Auch die Pekinger betreiben Realpolitik. Und Merkel kann zwischen Image und Realität ganz gut unterscheiden.