KOMMENTAR VON BERND KRAMER ZUM FÄLLIGEN RÜCKTRITT VON ANNETTE SCHAVAN : Titel weg, Autorität auch
Nein, eine Wissenschaftsministerin muss keinen Doktor im Namen führen. Sie muss noch nicht mal studiert haben. Ein akademischer Abschluss ist gottlob keine Zugangsvoraussetzung für ein politisches Amt. Statuspromotionen gibt es schon jetzt bei Politikern von Union und FDP mehr als genug. Weniger Doktoren an führender Stelle wären keine Schande.
Allerdings: Eine Ministerin, die einen einmal erlangten akademischen Titel verliert, kann unmöglich weitermachen wie bisher – vor allem nicht als Chefin des Wissenschaftsressorts. Mit welcher Autorität soll eine gefallene Doktorin jungen Promovierenden nun gegenübertreten? Wie will sie glaubhaft für wissenschaftliche Redlichkeit streiten, wenn ihre eigene ehemalige Alma Mater in Düsseldorf ein derart vernichtendes Urteil über ihre akademischen Meriten fällt?
Schavan darf natürlich weiter um ihren Titel kämpfen, aber als Ministerin muss sie in dieser Situation zurücktreten. Mit dieser Hypothek kann sie nicht glaubwürdig agieren. Es hilft ihr da auch nicht weiter, dass ihre Dissertation nach wie vor ein Grenzfall ist. Annette Schavan zählt nicht wie Karl-Theodor zu Guttenberg zu den notorischen Blendern. Ihre Zitierweise ist nicht ideal. Man kann ihr dafür den Titel aberkennen. Man muss nicht.
Die Universität Düsseldorf hat sich nun für die harte Variante entschieden. Das ist ihr gutes Recht. Ihr eine politische Kampagne zu unterstellen, wie CDU-Fraktionsvize Michael Kretschmer es in verschwörungstheoretischer Manier tut, ist perfide. Das Uni-Bashing, das die Union nun startet, ist schlicht widerlich. Eine Bildungsministerin müsste dem entgegentreten – bloß wie soll das gehen, wenn die Ministerin Schavan heißt?
Dass ein Gutachten vorab durchsickert, ist unschön für Schavan, keine Frage; aber ein Skandal, der an den Fakten irgendetwas ändern würde, ist es nicht.
Auch der Ruf der Schavan-Verteidiger nach einem Zweitgutachten ist ein Ablenkungsmanöver: Die Zitierfehler liegen auf der Hand. Die Schwere der Fehler bleibt in letzter Konsequenz eine Auslegungsfrage, über die nach derzeitiger Auffassung nur das zuständige Uni-Gremium zu entscheiden hat. Eine Gutachtenlawine hätte hier niemanden klüger gemacht. Schavan kann der Wissenschaft den Gefallen tun und das perfide Spiel ihrer Parteifreunde beenden – indem sie zurücktritt.