KOMMENTAR: SVEN-MICHAEL VEIT ÜBER DIE HAMBURG-WAHL : Schon wieder
Also denn, auf zum zweiten Versuch. Eine rot-grüne Koalition soll künftig in Hamburg regieren, so will es SPD-Bürgermeister Olaf Scholz, nachdem er die erneute absolute Mehrheit knapp verfehlt hat. Und die Grünen werden auch wollen. Erstens, weil sie grundsätzlich gerne regieren mögen, das dann aber lieber „gestalten“ nennen, und zweitens, weil die vor sechs Jahren bejubelte schwarz-grüne Option nach der Wahlklatsche für die CDU für mindestens zehn Jahre keine sein wird. Also sind die Grünen wieder der SPD ausgeliefert.
Unüberwindbare Hürden sind nicht in Sicht. Schon in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode war das beiderseitige Bemühen unübersehbar, bei aller flammenden Polit-Rhetorik die Grenze zur persönlichen Beleidigung nicht zu überschreiten. Ein bisschen verbale Abrüstung hüben wie drüben, und das rot-grüne Koalieren dürfte weitgehend ruckelfrei funktionieren. Die Grundlage wird die bisherige Haushaltspolitik von Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher sein, daran werden beide nicht rütteln lassen. Für die Grünen ist das akzeptabel, auch wenn sie Gegenleistungen verlangen werden.
Eben deshalb wird die Verkehrspolitik wahrscheinlich der umstrittenste Themenkomplex sein. Aus Stadtbahn, U-Bahn-Ausbau, Busbeschleunigung und Radlerförderung ein stimmiges Gesamtkonzept zu basteln, wird mühsam werden. Strittig ist auch die Ressortfrage: Bleibt der Verkehr in der Wirtschaftsbehörde oder bekommt ihn die künftig wohl vom Grünen Kerstan geführte Umweltbehörde? Die braucht zudem nach jahrelangem Schattendasein wieder ein wahrnehmbares Profil, noch deutlicher: einen Existenzberechtigungsnachweis. Den werden die Grünen liefern müssen.
Zündstoff liegt auch in der Frage, wie human die Hamburger Flüchtlingspolitik künftig sein wird. Hier stehen die Grünen –zwischen der linken Opposition und den Flüchtlingsinitiativen – unter Erfolgsdruck. Alle anderen Zweifelsfälle – Kitas, Schulen, Hochschulen, Hafen und Olympia – lassen sich regeln, im Notfall mit wortreichen Formelkompromissen. Daran wird eine rot-grüne Koalition nicht scheitern.
Entscheidend für ihren Erfolg aber wird sein, ob der Regierungsalltag halbwegs reibungslos funktioniert. Scholz wird das wollen, weil er den gemeinsamen Erfolg will. Und die Grünen haben keine andere Wahl.