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Archiv-Artikel

KOMMENTAR: MARCO CARINI ÜBER TÖDLICHE POLIZEISCHÜSSE Todesschuss ist kein Hilfsangebot

Lockere Pistole

Die Todesschüsse von Hamburg-Ohlsdorf sind kein Einzelfall:

■ Ein Randalierer entreißt im Mai 2009 einem Polizisten die Waffe. Ein Kollege erschießt den Mann.

Ein psychisch Kranker greift im März Polizisten mit dem Messer an. Er wird von sechs Schüssen tödlich getroffen.

■ Eine Routine-Festnahme in einem Auto endet im Juni 2007 im Fiasko. Ein Zivilfahnder erschießt einen unbewaffneten Scheckkartenbetrüger.

■ In den Rücken schießt Weihnachten 2002 ein Polizist einem unbewaffneten Einbrecher, der flüchten wollte. Er habe noch nie einen Einbrecher laufen lassen.

■ Auf der Flucht wird im Juli 2002 ein Mann von einem Parkhausdach geschossen.

Notwehr oder nicht – das ist nicht die Frage. Die Polizeistreife, die dem mit einem Messer bewaffneten Dirk P. gegenüberstand, konnte sich bedroht fühlen. Strafrechtlich wird es kaum Konsequenzen haben, dass einer der Beamten die Waffe zog und den tödlichen Schuss abgab. Die entscheidende Frage aber lautet: Wie konnte es zu dieser Notwehrsituation kommen, die Dirk P. das Leben kostete?

Was bekannt ist, legt nahe, dass vor dem tödlichen Einsatz schieflief, was nur schieflaufen konnte. Die Beamten müssen, da Dirk P.’s Mutter vor Ort war, gewusst haben, dass sie es mit einem psychisch kranken Menschen zu tun haben. Da der Mann niemanden bedrohte, ging es nur darum, ihn vor sich selbst zu schützen. Dass dies gründlich misslang, ist keine Frage.

Viel spricht dafür, dass die Polizei die Lage falsch einschätzte, als sie die Tür eintrat

Vieles spricht dafür, dass die Beamten die Lage falsch einschätzten, als sie die Tür eintraten und so die Situation heraufbeschworen, die P. das Leben kostete. Ob sie für so eine Situation richtig geschult waren oder ob es nicht besser gewesen wäre, Unterstützung – vom MEK bis hin zu psychologischem Fachpersonal – herbeizurufen, gehört zu den Fragen, die beantwortet werden müssen. Dabei geht es nicht darum, die Beamten zu belangen, sondern darum, dass sich dieser Wiederholungsfall nicht erneut wiederholt. Psychisch kranke Menschen brauchen Hilfe – gezückte Waffen sind da eine schlechte Therapie.