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Archiv-Artikel

KOLUMBIENS DEMOKRATISCHE ZUKUNFT WIRD VON EXTREMEN BLOCKIERT Die totalitäre Versuchung

Dass Álvaro Uribe seinen klaren Wahlsieg aus dem Jahr 2002 sogar noch übertreffen konnte, liegt an seinem großen politischen Geschick, mehr aber noch an der Unnachgiebigkeit gegenüber der Farc-Guerilla. Wenn die Rebellen auch weiterhin Friedensgespräche verweigern, kann das dem Hardliner nur Recht sein. Dann wird er sein autoritäres Projekt umso unbehelligter fortsetzen können.

In seiner ersten Amtszeit machte Uribe die rechten Paramilitärs salonfähig und bereitete seine Wiederwahl per Verfassungsänderung vor. Er brachte die Staatsanwaltschaft auf Regierungskurs und schmiedete eine willfährige Koalition aus Rechtsparteien, die jetzt den Kongress dominieren. Selbst eine dritte Amtszeit ab 2010 scheint nun nicht mehr ausgeschlossen.

Absehbar ist schon jetzt, dass der Autokrat weitere Institutionen, die bislang noch ein gewisses Gegengewicht zur Exekutive darstellen, bis 2010 mit eigenen Leuten besetzt haben wird: Kontrollorgane der Behörden, den Wahlrat, die Zentralbank und vor allem das lästige Verfassungsgericht. Die WählerInnen haben ihm einen Blankoscheck ausgestellt.

Seinen Bekenntnissen zu Pluralismus und Demokratie zum Trotz dürfte der Machtmensch Uribe dieser totalitären Versuchung kaum widerstehen. Von der US-Regierung, die Kolumbien weiterhin als wichtigsten Vorposten im „Hinterhof“ ausbauen wird, wird er keinen Widerstand zu erwarten haben. Leider auch nicht von der EU, die ihn bislang eher verschämt gestützt hat.

Ironischerweise, wenn auch mit entgegengesetztem ideologischen Vorzeichen, eifert der Kolumbianer seinem venezolanischen Nachbarn Hugo Chávez nach, der sich ebenfalls an der Macht verewigen möchte. Anders jedoch als in Venezuela oder Peru gibt es jetzt in Kolumbien eine gut organisierte zivile Opposition, die auf die Ablösung der traditionellen, aber auch der neuen, unter Uribe mehr denn je prosperierenden Narco-Oligarchie hinarbeitet. Doch ihr Ziel, ein Machtwechsel in vier Jahren, hätte ebenfalls Friedensgespräche zur Voraussetzung. GERHARD DILGER