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Archiv-Artikel

KLAUS-HELGE DONATH ÜBER DIE PROTESTE IN RUSSLAND Putin ist angezählt

Russlands Bürger erobern die Straße. Friedlich, gut gelaunt und ohne Rachegelüste. In zwei Monaten hat das Land einen Quantensprung vollzogen. 200.000 Menschen gingen am Wochenende gegen Putin demonstrieren. Das Regime sieht sich gezwungen, auf gleiche Weise zu reagieren. Zigtausende Unterstützer brachte der Machtapparat auf die Straße. Bei weitem nicht alle kamen freiwillig. Der Ausgang des Kräftemessens ist offen.

Noch ist Putin zum Dialog mit den Gegnern nicht bereit. In der Verweigerung bestärkt ihn eine Phalanx von Anhängern aus der Provinz, Millionen von Beamten und Empfänger staatlicher Zuwendungen. „Wir haben etwas zu verlieren“, war denn auch das Motto der Putin’schen Gegendemonstration. Den Strategen und Mitläufern schien die Doppeldeutigkeit der Aussage nicht bewusst zu sein.

Dass Putins Entourage das Land wie eine Besatzungsmacht regiert, ist einer der Gründe, warum auch Bürger mit Geld und Bildung den Rückzug des Allmächtigen verlangen. Arroganz der Macht und Verleumdungen, die den Unzufriedenen gebetsmühlenartig unterstellen, Söldner der USA zu sein, lassen den Protest anschwellen. Deshalb wäre Putin gut beraten, sich auf Kompromisse einzulassen. Die Präsidentschaftswahl wird er zwar noch gewinnen, seine Weigerung, den Wahlfälschungen vom Dezember auf den Grund zu gehen, wird aber auch den Urnengang im März belasten. Seine Legitimität hängt an einem dünnem Faden. Zumal der Druck der Straße nicht nachlassen wird.

In Putins Weltsicht aber bedeutet Nachgeben Schwäche. Wenn die Straße ihn nicht zum Einlenken bewegt, wird die eigene Entourage ihn über kurz oder lang durch eine Palastrevolution dazu nötigen. Denn sie hätte im Ernstfall nicht nur etwas, sondern sehr viel zu verlieren.

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