piwik no script img

Archiv-Artikel

KIM IL JONG KÖNNTE FÜR EINE DRINGEND NÖTIGE BEDROHUNG SORGEN Bushs bester Wahlhelfer ist Nordkoreaner

Genau einen Monat vor den US-Kongresswahlen liegen die oppositionellen Demokraten um bis zu 23 Prozentpunkten vor den regierenden Republikanern von Präsident George Bush, haben insgesamt vier Meinungsforschungsinstitute diese Woche mitgeteilt. Niemals in den letzten 20 Jahren war vier Wochen vor Kongresswahlen der Vorsprung der Demokraten so groß. Sollten sie am 7. November auch nur eine der beiden Kammern des Kongresses zurückerobern, könnten endlich die Untersuchungen zu den Lügen der Bush-Administration im Vorfeld des Irakkrieges und zu anderen brisanten Vorgängen und Skandalen beginnen.

Doch diese Rechnung ist ohne den Wirt Kim Jong II gemacht. Die atomare Testexplosion vom Montag, als die vier Umfragen gerade abgeschlossen waren, stellt eine bessere Wahlkampfunterstützung für die Republikaner dar, als sie sich selbst Bushs mit allen unsauberen Wassern gewaschener Chefstratege Karl Rove hätte ausdenken können. Mit der „entschlossenen Abwehr“ der „unmittelbaren Gefahr für die USA“ (Bush) und „Bedrohung des internationalen Friedens“ durch einen „atomar bewaffneten Schurkenstaat“ könnte die US-Regierung zumindest einen Teil der Unterstützung beim Wahlvolk zurückgewinnen, die sie wegen ihrer desaströsen Irakpolitik verloren hat. Dieses Kalkül wird allerdings nur aufgehen, wenn der Konflikt mit Pjöngjang bis zum 7. November weiter die Medien beherrscht und damit die Bedrohungswahrnehmung in der US-Bevölkerung zunimmt.

Hierzu beitragen werden die Sanktionen gegen Nordkorea, die die Bush-Administration jetzt im UNO-Sicherheitsrat durchsetzen will. Nach allen bisherigen Erfahrungen werden Sanktionen keine Kurskorrektur in Pjöngjang bewirken, sondern zu einer weiteren Verhärtung führen, möglicherweise bis hin zum Abschuss einer Rakete mit atomarem Sprengkopf. Eine derartige Eskalation würde die Rolle der USA als „Schutzmacht“ mehrerer Staaten der asiatisch-pazifischen Region bekräftigen – und zwar weit über die Kongresswahlen hinaus. ANDREAS ZUMACH