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Archiv-Artikel

KEINE LIBERALISIERUNG IM GÜTERTRANSPORT – ZUM SCHADEN DER BAHN Nur gut für Lastwagen

Es ist eine schöne Vision: Die Zollschranken in der Europäischen Union sind vor Jahren gefallen, die Güter werden endlich auch auf den Schienen ähnlich massenhaft und unbehelligt transportiert wie per Lkw über den Autobahnen. Immerhin gibt es eine einheitliche Spurbreite von Polen bis zu den Pyrenäen, von Lappland bis Sizilien. Doch der schnelle grenzüberschreitende Zugverkehr für Güter bleibt ein Traum. Denn alle Beteiligten mauern oder warten einfach ab.

Da sind die einzelnen Staaten, am schlimmsten Frankreich und Belgien, deren eingefahrene Schienenbürokratien weder von Gewohnheiten lassen noch Macht abgeben wollen. Staatseigene Konzerne müssten transparente Preise für die Schienennutzung kalkulieren – für viele ein Horror. Es könnte ja deutlich werden, dass andere Betriebe billiger und flexibler sind. Dass hier einiges im Argen liegt, zeigen die Klagen der Industrie. Selbst bei der Deutschen Bahn, die nicht die schlechteste in Europa ist, bemängeln Betriebe unter anderem die starre Disposition der Waggons.

Die europäischen Eisenbahner haben mit ihrem gestrigen Protest vor der Berliner Bahnzentrale wunde Punkte berührt: So bedarf es wirklich einer weitaus stärkeren Abstimmung in technischen Fragen, bevor die Züge schneller durch die Lande rollen können – der Abgleichung der Sicherungssysteme, Vorschriften für Lokomotivführer und manches andere. Durch ihre Blockadehaltung verlieren die einzenen EU-Staaten hier viel Zeit.

Schwieriger wird es schon mit dem gestrigen Hauptslogan „Gegen Sozialdumping und Arbeitsplatzvernichtung“. Die Arbeitsplätze der Eisenbahner im Güterverkehr sind nämlich durch ein „Weiter so wie bisher“ stärker gefährdet als durch eine Liberalisierung. Denn wenn nicht schleunigst wieder mehr Güter auf die Schiene kommen, dann geht der Stellenabbau so weiter, wie er begonnen hat. Dann schickt die Industrie bald ihre gesamte Produktion über die Landstraße – das kostet ja nicht viel: Die Straßen zahlt der Staat genauso wie die Schienen, und die Brummifahrer fahren ohne Pause jede von ihnen verlangte Strecke. Deshalb ist auch der Worthammer „Sozialdumping“ verfehlt. Europaweit einheitliche Standards bei den Sozialbedingungen forderte die Gewerkschaft Transnet. Das wird und kann es nicht geben auf dem hohen Niveau, das Transnet vorschwebt. Genauso wenig wird irgendjemand im hart umkämpften Speditionsgewerbe neue Flächentarifverträge abschließen. Wenn hier nicht schleunigst Kompromisse geschlossen werden, dann werden die Güterabteilungen da landen, wo die Lkw-Kollegen schon sind – nämlich wirklich beim Sozialdumping.

REINER METZGER