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Archiv-Artikel

KEIN SPRINGER-TV: JETZT DROHT NEUE AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT Die Umfaller waren schon zu erkennen

Der geplante Zusammenschluss von Springer-Presse und ProSiebenSat.1-Fernsehgruppe findet nicht statt. Das erspart Deutschland eine publizistische Konzentration, die alles Bisherige in den Schatten gestellt hätte. Für die mediale Vielfalt ist es ein guter Tag. Und Springer-Chef Mathias Döpfner, der seit seinem Antritt als Vorstandsvorsitzender 2002 fast alles richtig gemacht hatte, hat seine bislang größte Niederlage erlitten.

Die große Koalition hat dagegen ein Problem weniger. Denn der zum Schluss doch überraschende Rückzieher erspart der Politik, sich näher mit sich selbst und ihrem Verhältnis zu Springer auseinander zu setzen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) muss sich nicht mit einem Sondererlaubnisverfahren herumplagen. Die im Gegensatz zur CSU bislang verdächtig schweigsame CDU muss sich zu keiner klaren Haltung mehr durchringen. Und vor allem die Sozialdemokraten können jetzt ihren Eiertanz einstellen.

Dass sich die Stimmung in den letzten Tagen auch in der SPD immer deutlicher in die Pro-Springer-Richtung verschob, zeigt, wie gefährlich die Lage war: Noch bevor die Medienkommission seiner Partei überhaupt getagt hatte, ließ sich bei Kurt Beck, dem obersten Medienpolitiker der SPD und Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, plötzlich Optimismus in Sachen Ministererlaubnis vernehmen. Schließlich sind im März Landtagswahlen. Da hat man nicht gern Deutschlands größtes Zeitungshaus gegen sich, und schon gar nicht die Bild-Zeitung.

Der Springer-Konzern muss sich nun völlig neu orientieren. Und ProSiebenSat.1 steht weiter zum Verkauf. Weil sich derzeit kein deutscher Interessent zeigt, werden die nationalen Krokodilstränen bald nur so kullern: Wieder einmal droht der Ausverkauf ans Ausland – und niemand kann’s verhindern. Doch das ist, mit Verlaub, Unsinn: Kein internationaler Medienkonzern, kein Finanzinvestor aus Übersee kann am hiesigen Publikum vorbeisenden. Und überhaupt: Was ist denn am deutschstämmigen Fernsehen derzeit sehenswert? Von düsteren Fernsehfilmen einmal abgesehen, sind die meisten neuen, erfolgreichen Formate doch Kopien – aus dem Ausland. STEFFEN GRIMBERG