KEEN LICHT : Erwischt
Kurz hinter der Kreuzung überholt mich ein silbergraues Auto. Auffällig langsam. Schon öffnet sich das Fenster, heraus kommen die rote Kelle und zwei Polizisten in Zivil hinterher. „Sie haben gerade eine rote Ampel überfahren. Und ick würd da nicht drum wetten, aber die drei Ampeln davor wahrscheinlich och.“ Empörtes Kopfschütteln meinerseits, und überhaupt war es ja nur eine Fußgängerampel, mitten in der Nacht und bitterkalt. „Egal, rot ist rot und Licht ham Se ja och keens, Papiere bitte.“ Ich krame nach meinem abgelaufenen Ausweis und erkläre – etwas zu ausschweifend –, dass mir mein Anstecklicht letzte Woche geklaut wurde. Dass ich immer so lange arbeiten muss und einfach nicht dazu komme, ein neues Licht zu kaufen. Dass ich die kleinen Läden unterstützen will und deshalb nichts bei Amazon bestelle. Bevor ich mich noch lächerlicher machen kann, unterbricht mich der Polizist: „Anstecklichter sind ja eh verboten, wo ist Ihr Dynamo?“ – „Der ist vor Kurzem abgefallen. Altersschwäche.“ – „Ihr ganzes Rad scheint etwas altersschwach, wir gucken uns das lieber nicht genauer an. Wo wollen Sie überhaupt hin?“ – „Hermannstraße“, sage ich. „Gut, das is ja nicht weit“, antwortet er. Ich will schon erleichtert nicken, als der Polizist fortfährt: „Sie schieben ab jetzt, und wenn wir Sie noch mal ohne Licht treffen, gibt’s ’ne Vorladung zur Fahrradinspektion“. Mittlerweile hat sein Kollege meine Daten überprüft. Stimmt alles, und straffällig geworden bin ich bisher auch nicht. „Ham wa die falsche erwischt.“ Aber Post und Punkte gibt’s trotzdem. Und einen stundenlangen Fußmarsch durch die Nacht. „Na dann, frohes Weiterschieben!“ Während der eine schon wieder im Auto sitzt, streckt der andere den Kopf noch mal raus: „Ach ja, wir biegen jetzt hier rechts ab, fahren Richtung Schöneberg und hoffen mal, dass wir Sie nicht wieder treffen. Kennzeichen ham Se sich ja nu gemerkt.“
FRANZISKA HAACK