KATHARINA GRANZIN CRIME SCENE : Helden, die im Grab rotieren
So mancher Held in der Kriminalliteratur trägt einen großen Namen. Denn mitunter nutzen ihre Schöpfer, vulgo Autoren, die Namensgebung dazu, bewunderten Genrekollegen zu huldigen. Der Sizilianer Andrea Camilleri etwa machte den Katalanen Manuel Vázquez Montalbán ein bisschen unsterblicher, als er seinen Commissario „Montalbano“ nannte, und der Schwede Håkan Nesser erwies mit Kommissar Van Veeteren dem Niederländer van de Wetering seine Reverenz. Diese Art der literarischen Heldenverehrung ist nicht nur in Ordnung, sondern sogar ganz schön, vor allem wenn der verehrende Autor einigermaßen an das Format des Verehrten heranreicht.
Doch was lässt sich von einem Autor sagen, der seine Hauptfigur Hieronymus (kurz: „Harry“) Bosch nennt? Michael Connelly ist als mildernder Umstand anzurechnen, dass er Amerikaner ist, denn durch die Entfernung wird der unerschrockene Zugriff auf eine Ikone der europäischen Kunstgeschichte sicher erleichtert. Und seine Romane sind nicht so schlecht, dass es einer Erwähnung wert wäre, hätte sich Connelly mit „Harry Bosch“ nicht selbst ein Programm gegeben, an dem gemessen er nur verlieren kann. In seinem neuesten Roman, „Echo Park“, muss Bosch zum Abschluss in eine Höhle kriechen, die mit den stinkenden Leichen der weiblichen Opfer eines Serienmörders gefüllt ist. Wenn dieses Bild tatsächlich als programmatischer Anknüpfungspunkt an den mittelalterlichen Radikalkünstler verstanden werden sollte, so rotiert jener wohl gerade im Grabe. Doch auch Connelly kann einem leidtun. Der hohe Ekelgrad zeigt an, wie schwer es sein muss, mit herkömmlicher Serienkillerkonfektionsware noch Punkte zu machen.
■ Michael Connelly: „Echo Park“. Aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb. Heyne, München 2008, 464 Seiten, 19,95 €