Juso-Landesvorsitzender fordert Parteiausschluss: Die Krönung des Thilo Sarrazin
Der nicht auf den Mund gefallene Finanzsenator soll aus der SPD fliegen, fordert der bayerische Juso-Chef: Was Sarrazin von sich gebe, sei "menschenverachtende Ideologie".
Viel Feind, viel Ehr: Für einen echten Spitzenpolitiker ist eine Rücktrittsforderung aus den eigenen Reihen der Ritterschlag. Zeigt sie doch, dass jemand sein Anliegen auch gegen Widerstände aus seiner Partei verfolgt. Wer dagegen allen gefallen will, kann seine Sache nicht wirklich gut machen. Die wahre Krönung einer Politikerkarriere ist folgerichtig die Forderung nach einem Parteiausschluss.
Es sind die Jusos aus Bayern, die Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin nun zu dieser höchsten Ehre verhelfen. "Was Sarrazin vom Stapel lässt, das ist einfach nur menschenverachtende Ideologie. So einer muss aus der SPD fliegen", sagt der bayerische Juso-Vorsitzende Thomas Asböck im Interview mit Spiegel Online. Und Asböck hat nicht nur Sarrazin auf dem Kieker, sondern auch den ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily: Die beiden seien schlicht "Ekelpakete am rechten SPD-Rand", urteilt der Jungsozialist.
Zu diesem Schluss kommt Asböck, nachdem die Schiedskommission der NRW-SPD den Parteiausschluss von Wolfgang Clement beschlossen hat. Clement hatte vor der Landtagswahl in Hessen erklärt, er würde der SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti seine Stimme nicht geben. Die Schiedskommission sah parteischädigendes Verhalten und beschloss - da Clement künftig auch nicht auf vergleichbare Äußerungen verzichten mochte - den Parteiausschluss. Die endgültige Entscheidung wird die Bundesschiedskommission fällen. Asbeck hofft, dass es beim Ausschluss bleibt: "So was geht gar nicht. Muss man sich denn von prominenten Mitgliedern alles gefallen lassen?" Und ihm würden noch mehr einfallen: "Schily und Sarrazin treten Grundwerte und Parteisatzung der SPD mit Füßen - diese beiden können wir Clement getrost noch hinterherschmeißen."
Sarrazin war zuletzt in die Kritik geraten, nachdem er in einem Interview dicke Pullover als Lösung gegen steigende Energiekosten empfohlen hatte. Zuvor hatte er gegen Sozialarbeiter gestänkert, von denen sich viele seiner Vermutung nach von der Straßenarbeit mit Jugendlichen in die Verwaltung zurückgezogen haben. Sarrazin: "Es ist ja auch anstrengend, über die Straße zu latschen und mit immer denselben Jugendlichen zu sprechen. Da sehnt man sich vielleicht nach einem warmen Büro mit einem übersichtlichen Aktenstapel, wo das Telefon drei Mal am Tag klingelt."
Der Sprecher des Landesverbandes, Hannes Hönemann, wies die Forderung Asböcks nach einem Parteiausschluss Sarrazins zurück: "Es gibt keinen Grund, Thilo Sarrazin im Zusammenhang mit Wolfgang Clement zu nennen." Die Berliner Juso-Vorsitzende Anne Knauf entschloss sich dagegen gestern nach reiflicher Überlegung, sich zu dem Thema nicht zu äußern.
Sarrazin selbst genoss seine Krönung schweigend: Der Senator werde die Äußerungen Asböcks nicht kommentieren, ließ er über einen Sprecher mitteilen. SEBASTIAN HEISER
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