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Archiv-Artikel

Jugendhilfe in der Haushaltsfalle

betr.: „Kind aus Frust getötet“, taz vom 31. 8.2005

Die Trauer und die Wut über diese schreckliche Tat und das Mitgefühl für die Familie des ermordeten Kindes müssen an erster Stelle stehen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was im Kopf und in der Seele des Richters vor sich geht, der vor kurzer Zeit die Haftverschonung für den Täter ausgesprochen hat. Aber die Schuldfrage auf einen Richter zu beschränken, ist sicherlich falsch.

Trotz allem muss die Debatte möglichst sachlich geführt werden. In unserem Land gilt glücklicherweise ein Jugendstrafrecht, das kriminelle Jugendliche nicht als „Monster“ abstempelt, sondern sich mit der Integration in die Gesellschaft befasst.

Hier werden auch Richter manchmal mit der Aufgabe überfordert. Kernproblem ist sicherlich aber der Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die keinen Erfolg versprechenden Weg zur Integration in die Gesellschaft eingeschlagen haben. Dieses Kind (der Täter) war offenbar nie von seinen Eltern geliebt und akzeptiert, und seine Großeltern waren wohl hoffnungslos überfordert.

Nach dem geltenden Recht hatten der Jugendliche und seine Großeltern das Recht auf erzieherische Unterstützung durch die Jugendhilfe. Aber in Berlin hat die fachliche Jugendhilfe sich gegenüber den Haushältern ergeben. Zurzeit bekommen gegenüber 2003 nur noch [2]/3 der Familien eine erzieherische Hilfe, die sie eigentlich benötigen. Das sind 7.000 Familien. Vielleicht gehört der Täter zu dem Personenkreis, der nicht mehr mit erzieherischer Hilfe unterstützt wird. Wer aus dem Senat möchte dafür eigentlich die Verantwortung tragen? TIMM LEHMANN, Berlin