Juanes-Auftritt in Havanna: Drohungen wegen Friedenskonzert
Latino-Star Juanes wird am Sonntag in Havanna ein "Friedenskonzert" geben. Doch die geplanten Versöhnungstöne auf dem Platz der Revolution bringen ihm nicht nur Freunde.
Das Konterfei von Ernesto Che Guevara mit dem Slogan "Hasta la victoria siempre" prangt an der Fassade des kubanischen Innenministeriums, und direkt gegenüber steht das mächtige Denkmal zu Ehren des Nationalhelden José Martí. Im Schatten des mächtigen, 109 Meter hohen Turms hat Kubas oberster Revolutionär Fidel Castro zahlreiche Reden gehalten. An diesem historischen Ort soll Kolumbiens Superstar Juanes am kommenden Sonntag sein Konzert "Frieden ohne Grenzen" geben.
Mit ihm werden eine ganze Reihe kubanischer Künstler wie die Salsa-Altmeister von Los Van Van, Liedermacher Silvio Rodríguez oder die Rapper Los Orishas auftreten. Aber auch spanische Künstler wie Victor Manuel, der Puertoricaner Danny Rivera oder der Italiener Jovanotti werden auf der Plaza de la Revolución zum Mikro greifen und für ein friedliches Miteinander werben. Das ist die Idee, die Juanes eigenen Worten zufolge verfolgt.
Nie hätte er gedacht, dass seine Idee, in Havanna zu spielen, so kontroverse Reaktionen hervorgerufen hätte, erklärte der aus Medellín stammende Sänger in zahllosen Interviews in den letzten Wochen. Mit den Worten "Wir leben jetzt in anderen Zeiten, in denen die USA den Dialog und Alternativen suchen", warb er für Unterstützung, mit seiner Musik Brücken zu bauen.
Das kam in Havanna gut an. Der Platz der Revolution, wo bis zu eine Million Menschen stehen können, ist traditionell politischen Großereignissen vorbehalten. Schon die Rede von Papst Johannes Paul II. 1998 war ein Novum in der Geschichte der Insel. Dass nun der kolumbianische Musikstar, der sich mit seiner Stiftung für Minenopfer und der Musikerstiftung Alas für Bildung und mehr soziale Gerechtigkeit in Lateinamerika einsetzt, grünes Licht von der Regierung in Havanna erhielt, hat international für Aufmerksamkeit gesorgt.
Vor allem konservative exilkubanische Organisationen in Miami befürchten nun, dass die Regierung von Raúl Castro durch den Megaevent national und international punkten könne. In Miami kam es zu Protesten, und via Twitter erhielt der in Key Biscane lebende Juanes Morddrohungen, weil er die Regierung in Havanna unterstütze.
Dagegen verwahrt sich der 37-jährige Rockmusiker, der bereits an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze ein ähnlich politisch motiviertes Friedenskonzert 2008 initiierte. Ein weiteres "Frieden ohne Grenzen"-Konzert plant er an der Grenze zwischen den USA und Mexiko.
Er sei kein Kommunist und wolle auch nicht explizit politische Position ergreifen. Weshalb Juanes jedoch dann mit Silvio Rodríguez und Aumaury Pérez zwei ausgewiesene Anhänger der Revolution auf die Bühne bittet, irritiert nicht nur den exilkubanischen Sänger Willy Chirino. Und der kubanische Punkrocker Gorki Águila kritisiert: "Wenn man über Frieden redet, muss man auch über Freiheit sprechen; Freiheit, die es in Kuba nicht gibt", so der streitbare Sänger der Band Porno para Ricardo.
Gorki Águila hält sich seit drei Monaten in Mexiko bei Verwandten auf. Weder habe er von Juanes eine Einladung erhalten, in Kuba aufzutreten, noch glaube er, dass die Regierung einen Auftritt dulden würde.
In Havanna freuen sich hingegen viele auf die Megashow. Dies zeigt auch ein Video der international bekannten kubanischen Bloggerin Yoany Sánchez. Rund zwei Dutzend Kubaner hat sie auf der Straße und zu Hause interviewt und Reaktionen wie jene aufgenommen: "Wann haben wir Kubaner schon mal die Chance, Stars wie diese zu sehen?", sagt eine Frau. Die Freude überwiegt bei den Interviewten. Gut sei es, wenn sich Künstler wie Juanes ein Bild über die Realität in Kuba machen, erklärte ein kahlköpfiger Kubaner von Ende vierzig.
Dieser Meinung sind auch 24 der 75 Dissidenten, die im März 2003 festgenommen und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Sie sprachen sich in einer Botschaft aus dem Gefängnis für das Konzert aus. Für Annäherung, Verständnis und Versöhnung zwischen den Kubanern links und rechts der Straße von Florida.
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