Journalistische Ausbildung: Überstunden im Tarnmantel
In Schleswig-Holstein wird ein neues Programm für Volontäre angeboten. Die Vorteile sind unklar - außer für den ausbildenden Verlag: Der senkt seine Personalkosten.
![](https://taz.de/picture/283289/14/zeitungen_02.20110116-17.jpg)
Das klingt nach richtig guten Nachrichten: Ein Verlag vervierfacht seine Ausgaben für seine Redakteursausbildung, finanziert einer Fachhochschule einen Journalismus-Studiengang und gibt seinen Volontären noch einen Master mit - bei fast Tariflohn.
Doch das passt nicht zum Ruf des scheinbar spendablen Unternehmens: Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SH:Z) ist als äußerst sparsam und trickreich bekannt - gerade bei Personalkosten. Er gibt zahlreiche Lokalzeitungen und Anzeigenblätter in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern heraus, unter anderem das Flensburger Tageblatt und die Schweriner Volkszeitung.
Im Oktober vergangenen Jahres hat das Flensburger Medienhaus sein Volontariat umgestellt: Wer bei ihm Redakteur werden will, muss jetzt drei statt zwei Jahre in die Ausbildung und einen ersten Studienabschluss mitbringen. Die Volontäre arbeiten wie bisher 40 Stunden pro Woche in den Redaktionen mit, doch das gilt nun als Praxisteil ihres Masterstudiums "Journalismus und Medienwirtschaft" an der Fachhochschule Kiel.
Gleichzeitig, also am Wochenende und nach Feierabend, pauken sie überwiegend per Fernstudium Theorie - der Stoff soll in 20 Stunden pro Woche zu schaffen sein. Dreimal im halben Jahr gibt es Blockseminare von Freitag bis Sonntag.
Der SH:Z und die FH haben den Studiengang gemeinsam entwickelt. Studieren darf nur, wer bei einem Medienunternehmen angestellt wird, das Partner der Fachhochschule ist und Financier.
Doch warum gibt es dieses Programm? "Wir wollen gute Leute heranbilden, die irgendwann den Bestand der redaktionellen Qualität sichern", sagt Rainer Mohrmann, stellvertretender Chefredakteur des SH:Z. Der Verlag reagiere mit dem neuen Programm auf die größeren Anforderungen in der Branche. "Es werden nur die Tageszeitungen überleben, die dem Leser absolute Qualität liefern", glaubt Mohrmann.
Doch der Verlag hat nicht den Ruf, in journalistische Qualität zu investieren. "Der SH:Z ist nicht bekannt wegen seiner publizistischen Leistungen, sondern wegen seines ökonomischen Erfolgs", sagt der Dortmunder Medienwissenschaftler Horst Röper. Der Verlag ist hoch profitabel. Selbst im Medienkrisenjahr 2009 weist der Konzernabschluss einen Überschuss von rund 5,5 Millionen Euro aus, in besseren Zeiten ist der Gewinn rund dreimal so hoch. Ein Grund: "Der Verlag hat sehr früh auf Outsourcing gesetzt", sagt Röper. Es gibt eine Tochter für die Sportberichterstattung und für die Onlineausgabe, bei der aber auch Redakteure für die Zeitungen angestellt sind. Beide Gesellschaften bezahlen keinen Tariflohn. Darüber hinaus gibt es Pauschalistenverträge.
Die Vervierfachung der Ausgaben für die Ausbildung entstehen vor allem dadurch, dass der Verlag die Anzahl der Volontäre erhöht. Allein für die Medien in Schleswig-Holstein beginnen jedes Jahr zwölf Journalisten die Ausbildung, früher waren es acht oder neun. Sie kosten weniger als Redakteure, können aber meist fast genauso mitarbeiten - mehr Volontäre auszubilden, als man später anstellen will kann also auch Personalkosten sparen.
Hochgerechnet bedeutet die Umstellung, dass die Volontäre mehr als doppelt so viel Zeit in ihre Ausbildung stecken müssen. Dafür winken am Ende hervorragende Berufsaussichten, wenn man der Studienordnung glaubt: Führungskräfte für Journalismus und Medienwirtschaft sollen herangebildet werden, steht dort.
Doch das klingt ganz anders nach den Worten von Mohrmann: Es gehe um das Personal für die Lokal- und Mantelredaktionen. Die Absolventen hätten hinterher "beste Chancen, wenn wir Planstellen freihaben".
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