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Archiv-Artikel

Josef-Otto Freudenreich Reise nach Berlin

Es ist das alte Lied: Teufel gegen Oettinger. Oder um es genauer zu sagen: die Truppen um den katholischen Spätphilosophen und den evangelischen Hansdampf ziehen wieder ins Feld. Diesmal für ihre Kandidaten, von denen einer Wolfgang Schuster beerben soll. Im zweitwichtigsten Amt im Land, das selbstverständlich in der Hand der CDU bleiben soll: Oberbürgermeister von Stuttgart. So gesehen sind die Christdemokraten in der Landeshauptstadt ein berechenbarer Haufen, sind sie auch noch so zerstritten.

Und weil das alles so wichtig ist, erzählen die Getreuen von Günther gerne die Geschichte von der Reise nach Berlin. Der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann soll sie unternommen haben, um sich dort mit Frau Schavan und Frau Merkel zu treffen und die Personalie Sebastian Turner zu besprechen. Wie erinnerlich, ist in diesen Berliner Kreisen auch der Kurzzeit-MP Mappus geboren worden. Sei's drum, der Stuttgarter Emissär soll das Okay erhalten haben, worauf er den Coup stolz verkündete, ganz vergessend, dass er wenige Tage zuvor noch seine 3.200 Mitglieder brieflich gebeten hatte, ihm bei der Kandidatensuche behilflich zu sein. Aber zu viel Basisdemokratie ist auch nicht gut.

Zumal es darum auch nicht ging. Entscheidend war, jenen Andreas Renner zu verhindern, der mit Oettinger um die Häuser gezogen ist und es gewagt hatte, die Schirmherrschaft über den Christopher Street Day zu übernehmen. Inklusive dem legendären Satz gegenüber Bischof Gerhard Fürst, er solle sich aus dem Thema raushalten und „selber erst mal Kinder zeugen“. Das tut man nicht, es sei denn, man wollte Erwin und Annette, den Geschwistern im katholischen Geiste, einen weiteren Beleg dafür liefern, dass man ein blasphemischer Hallodri ist.

Dem Werbeprofi Turner würde so etwas nicht passieren. Immerhin gehörte er dem Präsidium des Evangelischen Kirchentages an, ist Mitbegründer der Aktion Kinderfreundliches Stuttgart, und als kommunikativer Honorarprofessor weiß er, welches „wording“ er wählen muss. Bloß kein falsches Wort am falschen Platz, das kann tödlich sein. Zumindest zum Verlust des Arbeitsplatzes (Sozialministerium) und direkt zur EnBW (Arbeitslager) führen.

Das Problem ist nur, dass der wohlhabende Quereinsteiger Turner ein Kandidat der Spitze ist und sich die Basis verwundert die Augen reibt. Noch fehlen auch die Fürsten im Hintergrund, die sich für ihn stark machen, oder hat jemand etwas von Christoph Palmer gehört? Der Turner, munkelt das Oettinger-Lager, werde von dem ausgebufften Politprofi Kuhn „abgefrühstückt“, und da helfe auch die Protektion der Bild-Zeitung nichts. Man sieht: Der parteilose Kandidat wird noch oft von Berlin nach Stuttgart reisen müssen, um die CDU zu verstehen, von der er glaubt, dass sie verstanden hat. Bis zum 17. März hat er Zeit, dann nominiert die Partei.

Bis dahin haben sich möglicherweise auch die Sozialdemokraten erklärt, auf deren Findungsprozess offenbar noch kein Segen Gottes ruht. Ein Kandidat ist weit und breit nicht in Sicht. Vielleicht sollten sie einfach mal auf die Website der Meisterbürger gehen, wo es demnächst Bewerber in Hülle und Fülle geben wird.