Josef-Otto Freudenreich : Der ausgegrenzte Spielverderber
Man wird ja fragen dürfen, ob das alles so in Ordnung war und ist, was die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) so treibt. Immerhin ist sie eine Einrichtung, die zu guten Teilen Stadt und Land gehört, mithin also dem Bürger. Viel Freude hat sie ihren Eigentümern bisher nicht gemacht, eher viel Geld gekostet, und die Schlagzeilen bewegten sich auch eher im unspaßigen Bereich: Geld in Griechenland versenkt, Korruptionsverdacht in Russland, Untreueermittlungen gegen den Vorstand, Luxusgehälter im Topmanagement, Patrizia und dergleichen mehr. Was Wunder, dass ein Besucher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft erst jüngst berichtete, der Keller der Strafverfolger stünde voller LBBW-Akten.Doch nicht genug damit. Jetzt stellt sich heraus, dass die Landesbank auch noch zu den größten deutschen Zockern bei der Nahrungsmittelspekulation zählt. Platz drei hinter der Allianz und der Deutschen Bank mit einem Anlagevolumen von 196 Millionen Euro. Konkret ausgedrückt: die „Bürger“-Bank spielt mit dem Essen, setzt auf den Hunger der Menschen. Sie wettet auf steigende Preise und Preisschwankungen bei Agrarrohstoffen und lockt die Kundschaft mit dem Versprechen hoher Gewinne. Je höher der Preis, desto höher der Profit – und umso größer der Hunger. Eine Milliarde Menschen leidet bereits darunter. Da kommt's auf ein paar Millionen wohl auch nicht mehr an. Aber alles ganz legal.
Nun hat Hannes Rockenbauch, der junge SÖS-Stadtrat und OB-Kandidat, gesagt, die LBBW sei eine „kriminelle Vereinigung“, und schon fegte ein Sturm der Entrüstung vom Kessel bis nach Möhringen und zurück. Unverschämt, unwürdig, rüpelhaft, tönte es parteiübergreifend aus dem Stadtrat, und eigentlich fehlte nur noch der Radikalenerlass und die Frage, ob der Sohn von Exkommunisten noch auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. Ganz eilfertig Empörte fragten flugs bei der Staatsanwaltschaft nach, ob hier nicht wenigstens der Tatbestand der Beleidigung erfüllt sei.
Ein Strafverfahren gegen den S-21-Aktivisten und OB-Bewerber – damit ließe sich vorzüglich das Bild eines Menschen zeichnen, der sich außerhalb des Common Sense befindet. „Wäre Herr Rockenbauch ein seriöses Mitglied unserer Gesellschaft“, zitieren die Stuttgarter Nachrichten einen LBBW-Personalrat, dann würde er sich empören. Aber nur dann. Der Konjunktiv besagt, dass er es in diesen Kreisen nicht mehr ist. Die Bahnhofsgegner gleich mit eingeschlossen. So einer ist unwählbar.
Das ist die Absicht, die dahintersteckt. Ausgrenzen aus dem Kreis der Konsensdemokraten, die ihre Macht- und Deutungshoheit nicht gefährden wollen, und, frei nach Frank Plasberg, ständig fünf Euro ins Phrasenschwein stecken müssten. Nur: Die Rechnung wird nicht aufgehen. All den Ausgrenzern und Abstemplern seien die Internetforen der beiden Stuttgarter Blätter empfohlen, in denen eine Vielzahl von Kommentatoren ihren Verdruss über die politische Klasse äußern und Rockenbauch („Hannes hat recht“) zum Helden küren. So hat einst die „Stuttgarter Republik“ begonnen.
Zu viel ist aufgebrochen in dieser Stadt, als dass die alten Spiele funktionierten, und viele wünschen sich einen Spielverderber. Rockenbauch ist diese Rolle auf den Leib geschneidert.