Jenseits von Mottram Hall: Turnier nicht gefährdet
■ Die Splitter der Bombe von Manchester erreichen den Fußball
Daß die IRA mit der samstäglichen Bombe von Manchester auch die UEFA in die Luft sprengen wollte, ist nicht anzunehmen. Daß man das Forum einer Fußball-EM wissentlich nutzt, um seinen Ansichten Gehör zu verschaffen, schon. „Es ist eine absolute Tragödie für unsere Stadt“, sagte Bürgermeister Derek Shaw, „besonders wegen der vielen Besucher der EM.“ Manchester ist gut gefüllt mit Fußball-Freunden, zehntausend Deutsche und ein paar hundert Russen, gekommen, um das sonntägliche EM-Spiel zu sehen, waren schon am Samstag in der Stadt unterwegs. Wieviele unter jenen waren, die die durch die Luft sausenden Splitter abbekommen haben, ist unklar, daß es einige erwischt hat, gilt als gesichert.
Die UEFA hat sich, wie erwartet, nach kurzer Besprechung mit dem englischen Verband entschlossen, es mit der Mitteilung bewenden zu lassen: „Wir glauben, daß dieser Anschlag mit der EM nichts zu tun hat.“ (UEFA-Präsident Johannsson). Man kenne „die Täter nicht“ und wisse „nicht, was sie bezwecken.“ Was sie bezwecken, kann jeder sehen.
Manchester ist nicht nur voller Europäer, es ist auch voller europäischer Journalisten. Die Fußball-EM, darauf hat der Veranstalter in diesen Tagen stets stolz hingewiesen, sei das drittgrößte sportliche Ereignis nach Olympia und einer Fußball-WM. Europa blickt auf dieses Ereignis. Selbst im unwahrscheinlichen Fall einer zufälligen Überschneidung: Die Bombe richtet den Blick Europas auf die IRA.
Es ist dies nicht zu vergleichen mit den Olympischen Spielen von München. Damals traf das Attentat israelische Sportler – und meinte Israel. Am Samstag traf es Einwohner und Fußballfans in Manchester. Und gemeint ist auch nicht der Fußball. Aber er ist beteiligt.
„Es ist unglaublich“, sagte Bundestrainer Berti Vogts, der mit dem DFB-Team ein paar Meilen von Manchester entfernt in Mottram St. Andrew residiert, „daß man so etwas benutzt, um auf sich aufmerksam zu machen.“ Der Mann hatte offensichtlich schnell die Zusammenhänge erfaßt. Die UEFA hält es dagegen mehr mit seinem Linksverteidiger Christian Ziege, der glaubt, man dürfe solche Ereignisse „nicht an sich herankommen lassen“.
„Im Moment“, sagte UEFA- Sprecher Frits Ahlström noch am Samstag, „ist es so, daß das Turnier nicht gefährdet ist.“ Das kann man nachvollziehen. Unabhängig von dem Fakt, daß es Verträge mit Sponsoren und Fernsehanstalten gibt: (Fast) ganz Europa will die Spiele sehen. Und es werden sicher mehr Leute Tony Adams kennen, den Kapitän der englischen Fußballer, als Gerry Adams, den Präsidenten von Sinn Féin.
Es machte natürlich keinen Sinn, nicht weiterzuspielen. Es macht aber auch keinen Sinn, so zu tun, als könne ein Zusammenhang zwischen Bomben und Fußball nur über Gerd Müller oder Lothar Emmerich hergestellt werden.
Vor dem Turnier ist viel über Eventualitäten geredet worden. Zur Auswahl standen Fußball- Hooligans und/oder Rechtsorientierte. Der IRA, hieß es, ist der Fußball heilig. Vielleicht ist deshalb die Bombe nicht in Old Trafford, sondern am Arndale Center hochgegangen. Am Stadion wimmelte es gestern vor Sicherheitspersonal. Jeder Winkel war abgesucht worden. Die Angst ist da. Die Splitter der Bombe haben auch den Fußball getroffen. Peter Unfried
(Siehe auch Seite 8 und Seite 10)
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