Jenni Zylka über PEST & CHOLERA : Der Teufel im Musterwohnungsdetail
Vorsicht vor InnenarchitektInnen, sie richten nur Schaden an! Helfen kann da nur ein hungriges Portemonnaie
Wenn ich wüsste, wo man sie kriegt, hätte ich mir schon längst eine kleine Puppe in einem Reifrock-Kleid gekauft, die man mit einem Gummiband an die Tülle der Teekanne schnallen kann, damit in ihrem Schaumstoff-Röckchen beim Einschenken elegant die Tropfen versickern. Einfach nur, weil das eine so geniale Erfindung ist. Das Teekannen-Frollein hat natürlich auch etwas von der Klopapierrollen-Puppe mit ihrem ausladenden Rock, der das günstige „Happy End“ oder das gute „Spagat“ verdeckt.
Trotzdem: Falls jemand noch kein Weihnachtsgeschenk für mich hat, ich möchte ein Teepüppchen. Ansonsten ist meine Wohnung ja komplett kitschfrei: nackte Stahlmöbel, keine Gardinen, unverputzte Steinwände, ein 70 cm breiter, grauer Teppichstreifen in der Ecke (mein Bett), und den Tee serviere ich auf einer Umzugskiste (umgedreht). Ich glaube darum, dass das Teepüppchen viel Wärme in, nun ja, mein kühles Nest bringen könnte. Besser jedenfalls, ein Teepüppchen zu benutzen, als sich direkt eineN InnenarchitektIn kommen zu lassen, der oder die alles versaut.
Man muss heutzutage so vorsichtig sein mit InnenarchitektInnen! Was die anrichten können! Von Missy Elliotts grässlichem Bett-Auto mit den Lieblingsturnschuhen im Kofferraum habe ich an anderer Stelle bereits schockiert berichtet. Auch scheinen mir die Einrichtungs-Helfershelfer von Dolce & Gabbana (das sind italienische Modedesigner) ihr Einrichtungsdiplom dort erstanden zu haben, wo meine Freundin ihren Führerschein herhat, was wir ihr so lange neckisch unter die Nase rieben, bis sie sich überhaupt nicht mehr hinters Steuer traute: vom Woolworth-Wühltisch. Dolce & Gabbana leben nämlich nicht in einer Wohnung, sondern in einer Hölle aus weichen Kissen und parfümierten Kerzen, indisch-spiritistischen Bildern und orientalischen Lampen. Man weiß nicht, was man zuerst zerdrücken soll. Glücklicherweise haben mich D & G noch nie eingeladen, sie rufen mich auch selten vor der Oscar-Verleihung an, um zu fragen, ob ich eines ihrer Outfits tragen möchte. Puh!
Aber die Bilder ihrer Wohnung haben mich an einen lieben ehemaligen Kollegen erinnert, der einmal erzählte, seine Frau sammle – trotz schwieriger Finanzhaushaltslage – Clowns. Und alle paar Tage, wenn er morgens aufwache, habe die Sammlung zugenommen: „Sag mal, Mausi, der dicke weiße Porzellanclown stand doch gestern auch noch nicht da, oder?“, frage er dann streng seine Frau. Ich habe wirklich mit ihm gefühlt: Da arbeitet man sich die Finger wund, und dann geht die Frau mit dem Geld Porzellanclowns kaufen. So was gehört verboten.
Bei der Clownsfamilie bin ich aber zumindest sicher, dass keinE InnenarchitektIn die schmutzigen Finger mit im Spiel hatte. Bei den Musterwohnungen, die mir in Möbelhaus-Katalogen vorgeführt werden, nicht: Nur so ein Langzeit-Studierter kommt doch wohl auf die Idee, ein Bataillon „Party Zone Vol. 1–6“-CDs im hässlichen CD-Möbel zu deponieren. I pfui, in DER Wohnung möchte ich weder tanzen noch einschlafen, noch aufwachen. In den Muster-Videoregalen jenes Kataloges befand sich allerdings interessanterweise dreimal die gleiche „Ninth Gate“-Videokassette auf jedem Bild, und soweit ich mich erinnere, ist „Ninth Gate“ ein Polanski-Film, in dem Johnny Depp als Büchersammler ein von Luzifer verfasstes Buch sucht … Ob es Verrückte gibt, die daran glauben, dass der Teufel seine Botschaften in den Details äußerlich unauffälliger Möbelhauskatalog-Dekorationen versteckt? Wo er doch eh immer im Detail steckt? Ob ich zu diesen Verrückten gehöre? Huah. Ich werde die betreffenden Kataloge und Zeitungen sofort verbrennen und dazu ein bisschen rückwärts singen.
Der beste Schutz gegen innenarchitektonisch versaute Wohnungen ist natürlich das hungrige Portemonnaie. Wer keine Kohle hat, der kann sie auch nicht für Rattanmöbel, Spiegelpyramiden und Hutschenreuther ausgeben. Insofern mache ich mir um mein kleines, kühles Nest keine Sorgen. Ich könnte mir ja nicht mal die Papp-Fernseher-Fassade aus dem Katalog leisten.