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Jelzin feuert ungehorsamen Leiter der Spionageabwehr

■ Goluschko sollte Amnestie verhindern

Moskau (taz) – Der russische Präsident Boris Jelzin hat gestern abend überraschend eine zuvor angekündigte Fernsehansprache abgesagt, in der er auf die Amnestie für seine politischen Gegner eingehen wollte. „Der Präsident arbeitet an allen Problemen, die das Land und die Gesellschaft betreffen“, lautete die magere Begründung eines Sprechers. Zuvor hatte Jelzin mit Entlassungen in den eigenen Reihen auf die Amnestie reagiert. Nachdem der Generalstaatsanwalt Alexej Kasannik am Wochenende aus Protest gegen Jelzins Vorgehen zurückgetreten ist, mußte nun der Chef der Spionageabwehr, Nikolai Goluschko, seinen Hut nehmen. Die Entlassung war nach fünf Tagen die erste Antwort Jelzins auf die Freilassung der Putschisten vom August 1991 und Oktober 1993. Zwar wurde die Entlassung offiziell nicht mit der Amnestie verbunden, vermutet wird jedoch, daß Jelzin nicht nur den inzwischen zurückgetretenen Generalstaatsanwalt Alexej Kasannik und Innenminister Viktor Jerin, sondern auch Goluschko aufgefordert hatte, die Umsetzung des Amnestiebeschlusses zu verhindern. Bei seiner Verabschiedung am Montag sagte Kasannik, daß Jelzin ihn und die beiden anderen zum Rechtsbruch aufgefordert habe. Eine rechtliche Handhabe gegen die Freilassung habe es nicht gegeben. Aus dem Beraterkreis des Präsidenten verlautete dagegen, man habe gehofft, daß der Generalstaatsanwalt die Freilassung hinauszögern könne. Dadurch sollte Zeit gewonnen werden, um den Beschluß auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen.

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