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Jasmin Ramadan Einfach gesagtRotieren, Meditieren, Koalieren

Mensch, Habeck wirkt echt hart überarbeitet, da mag man gar nicht mehr hinsehen“, sagt der Freund und steckt sich die Zigarette hinters Ohr. „Da kriegt man schon Erschöpfungssyndrom vom Zuhören“, sagt die Freundin und nimmt einen Schluck Kombucha. „Der kann sich ja jetzt nicht krankschreiben lassen.“ „Warum nicht? Mensch bleibt Mensch.“

„Was macht eigentlich Grönemeyer?“„Der war irgendwo bei Social Media, aber ich war zu drüber, um mir das noch reinzutun.“ „Bei dem meint man automatisch, der steht auf der richtigen Seite.“

„Was ist die richtige Seite?“ „Das weiß selbst Alice Weidel die letzten Tage nicht mehr so genau.“ „Wirkt auch schon ganz fahrig, bestreitet nicht mal mehr, queer zu sein!“ „Will jetzt sogar mehr Rechte für homosexuelle Paare einführen.“„Sogar Rechte, die es längst gibt!“

„Und sie hat Habeck Glück gewünscht!“ „Für die Wahl?“„Nee, beim Abklatschen in der Arena.“ „Wo sie von Bür­ge­r:in­nen zerfetzt werden sollten.“„Scheiß Termine schweißen zusammen.“„So ’ne Art Stockholm-Syndrom unter Konkurrent:innen?“

Ob Weidel weiß, dass sie Scheiße labert?

„Glaubt ihr, Weidel merkt langsam selber, dass sie ständig lügt und Scheiße labert?“„Weiß die das nicht ohnehin?“

„Es gibt dieses mentale Phänomen der Selbsterkenntnis durch Wiederholung und Routine, irgendwann, wenn du immer dasselbe abspulst, trittst du aus dir selbst heraus und siehst dich von oben oder so. Dann checkst du die ganze Misere deines verkackten Seins.“

„Wär’das nicht eher ’ne Nahtoderfahrung?“ „Ist der lähmende Frust des Alltags nicht immer eine Art Nahtoderfahrung?“ „Der Tod ist auf sicher auch Stillstand.“

„Aber Weidel steht nicht still, die rotiert in vollumfänglicher Verachtung.“ „Wenn sie jedoch ihre infame Balance verliert, dann richtet sich die Verachtung womöglich gegen sie selbst.“

„Also das wird mir jetzt zu abgehoben spirituell.“ „Geht spirituell auch unabgehoben?“ „Spiritualität is the ans­wer.“ „Aber what zur Hölle was the question?“

„Was passiert als nächstes in der Polit-Novela?“ „Jeden Morgen wacht man auf und fragt sich Nebulöses wie: Wird Olaf seine unbändige Selbstliebe überwinden?“ „Bleibt Friedrich standhaft oder wird er sich hingeben und danieder sinken?“

„Wird Sahra Oskar verlassen und sich einen Jüngeren suchen, um ihre Niederlage aufs Menschlichste zu kompensieren?“ „Verlieben sich am Ende alle in Heidi?“

„Eröffnet Markus einen Tempel?“ „Was denn für einen Tempel?“ „Einen Wursttempel?“

Foto: Roberta Sant‘anna

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. 2023 ist ihr Roman „Auf Wiedersehen“ bei Weissbooks erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert.In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Wär’doch all das große Ganze bloße Fantasie der trivialsten Sorte.“ „Aber wer sollte uns dann regieren?“ „Das übernimmt Trump.“ „Das Imperium furzt zurück.“

„Nehmen wir doch besser das Personal, das wir haben.“ „Aber Habeck muss mal Magnesium nehmen.“ „Und die Grünen sollen die Linke in Ruhe lassen.“ „Was machen sie denn?“ „Abraten.“

„Das würde ich nicht anraten.“ „Dann lieber anbraten.“ „Wer jetzt wen?“ „Ich meinte das wirklich kulinarisch.“ „So wie angrillen?“ „Bald ist Frühling.“

„Meint ihr, bis dahin wurde koaliert?“ „Koalieren oder nicht koalieren, das wird hier die Frage gewesen sein!“„Futur 2?“ „Gibt es auch 3?“ „Nee, also irgendwann ist mal Feierabend.“

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