Jasmin RamadanEinfach gesagt: Karma to go
Das Geschnetzelte ist Bio, oder?“, fragt der junge Typ an der Restauranttür. „Logo“, sagt die Frau hinterm Tür-Tresen „steht doch an der Tafel.“
„Aber ist das denn auch von ’nem glücklichen Tier?“
„Ich weiß nicht, wie das Schwein vom Gemüt her gestrickt war“, sagt sie.
„Sie müssen doch wissen, wie das gelebt hat, ob es Auslauf hatte, Freude am Leben eben, bevor es … naja.“
„Abgemurkst wurde!“, sagt seine Freundin entnervt und die Frau sagt:
„Junger Mann, wenn sie moralisch sicher gehen wollen, dann nehmen sie das Kürbis Ragout, daran ist niemand gestorben.“
„Was ist besser daran, wenn das geschnetzelte Schwein die Seele baumeln lassen konnte?“, fragt der Herr 1,5 m hinter ihnen und der Typ sagt:
„Dass es nicht gelitten hat!“
„Aber es hat sowieso gelitten, weil es nämlich ermordet wurde“, sagt seine Freundin.
„Nee, Laura, so einfach ist das nicht.“
„Doch, Finn, so einfach ist das und bei Jans Geburtstag hast du auch irgendwelche Würste in dich reingestopft!“
„Weil ich besoffen war und mir war am nächsten Tag die ganze Zeit komisch.“
„Ja, von dem billigen Wodka wahrscheinlich.“
„Nee, von dem Scheiß Karma wahrscheinlich!“
Die Frau in der Tür sagt:
„Mensch, Kinder, was ist los mit euch, dass ihr über so was streitet! Der Lockdown macht uns eine ganze Generation kaputt!“
„Der war schon 2019 so“, sagt Laura.
Der Herr sagt:
„Im Labor sind sie doch schon Fleisch ohne Tier am Züchten!“
Die Frau sagt:
„Ja, aber das ist bisher nur labbrige Pampe, glaub ’nicht, dass die da bald saftige Steaks hinkriegen!“
„Aber das würd’ich feiern!“, ruft Finn und strahlt.
Der Herr sagt:
„Da werden sich erst eure Kinder dran erfreuen, am künstlichen Menschen züchten sie ja nun auch schon ewig und da ist noch kein realer Homunkulus bei rumgekommen!“
„Wegen der Ethik“, sagt die Frau, „mit dem Tier-Ersatz wird das was werden, da wird investiert, man sieht ja an euch, was für junge Läuse da nachwachsen.“
„Ich bin nicht so“, sagt Laura, „ich ess’sogar lieber geschundene Tiere, die waren ja ohnehin lebensmüde.
„Also das ist jetzt fern meiner Logik“, sagt die Frau.
„Das ist fern jeder Logik, Laura!“, sagt Finn.
„Tot ist tot, Finn, so oder so. Ich bin wenigstens aufrichtig.“
„Kalt bist du, das zieht sich echt durch alles!“
„Warum seid ihr eigentlich zusammen?“, fragt der Herr.
Laura und Finn schweigen, der Herr sagt:
„Ach, was soll’s, ich treff mich auch wieder mit meiner Ex – Lockdown essen gute Entscheidungen auf“ – und die Frau fragt: „Soll es denn jetzt das Geschnetzelte vom Glücksschwein sein?“
„Ja, bitte“, sagt Finn und Laura sagt: „Lass uns dazu noch die Hackbällchen nehmen.“
Finn sagt:
„Aber nur wenn die vom selben Schwein sind.“
Die Frau hinterm Tresen zieht die Augenbrauen hoch und ruft:
„Hier ist doch irgendwo ’ne versteckte Kamera!“
Und der Herr sagt:
„Nee, hier ist irgendwo ganz schön 2021.“
Jasmin Ramadanist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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