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Jasmin RamadanEinfach gesagtAlles verliert sich in Zucker

Foto: Roberta Sant'anna

Was ist eigentlich Liebe?“, fragt der Freund, zündet sich die nächste Zigarette an und zieht den Schal fester um den Hals.

„Wie kommst du darauf?“

„Gestern bin ich mit 'nem alten Kumpel, der beruflich in Hamburg war, zum Italiener um die Ecke – war ja Valentinstag und um uns rum echt nur Pärchen und doppelt so viele Kerzen wie sonst. Der Kellner war die ganze Zeit so verdruckst überschwänglich zu uns, weil der dachte, wir sind ein Paar und da wollte er seine Toleranz betonen.“

„War das unangenehm?“

„Keineswegs, es war lustig und es gab ständig süße Schnäpse aufs Haus. Allerdings lief den ganzen Abend so 'ne peinliche Kuschelmusik. Da hab ich mich gefragt, ist das wirklich die Vorstellung, die die meisten Menschen von Liebe haben?“

„Du meinst Eros Ramazzotti und gedämpftes Licht?“

„Ich mein, so als Pflichtveranstaltung mit Pflichtdate, Pflichtblumen und Pflichtsex.“

„Stimmt, da merkt man, dass es eigentlich nicht mehr läuft, so ein Valentinstag bringt die Wahrheit ans Licht.“

„Eigentlich sahen die doofen Pärchen um uns herum glücklich aus, strahlten einander versunken an, löffelten gemeinsam ihr Tiramisu. Wär ich schwul, hätt ich mich in der Atmosphäre glatt in Daniel schockverknallt.“

„Eigentlich ist romantische Liebe asozial.“

„Wieso?“

„Frisch Verliebte sind grausam egozentrisch, vernachlässigen ihre Freunde, hören auf, Bücher zu lesen, verfolgen das politische Tagesgeschehen nicht mehr und sind in allem weniger ambitioniert.“

„Weil sie auf Droge sind!“

„Auf Adrenalin.“

„Und wenn es gut läuft, kommt das Serotonin.“

„Eigentlich ganz schön, ich muss mich dringend mal wieder verlieben.“

„Bei mir ist das auch schon echt lange her.“

„Gibt es eben nicht im Supermarkt im Regal.“

„Und auch nicht bei Tinder!“

„Doch, das hört man immer wieder. Die und der kennen sich durch Tinder, sind zusammengezogen und kriegen jetzt ein Kind.“

„Das ist doch elend banal und unromantisch, sich über Tinder zu finden!“

„Was ist denn romantisch?“

„Alles Ungeplante!“

„Du meinst, es ist nur romantisch, sich zu verlieben, wenn man sich eigentlich gar nicht verlieben will?“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Exakt! Falsche Situation, falsche Person. Verlieben bringt erst richtig Spaß, wenn es mit Abwehrreaktionen verbunden ist, im besten Fall mit Tabubruch, Überraschung, einem krassen Kick!“

„Nee, nee, mein Lieber, du meinst Sex.“

„Liebe und Sex kann man nicht trennen und alles, was sexy ist, hat mit Unsicherheit zu tun, mit Distanz, mit Angst!“

„Du bist ja völlig gestört. Deshalb hattest du auch noch nie 'ne feste Beziehung.“

„Feste Beziehung klingt für mich nach Tiefkühltiramisu.“

„Ich würd am liebsten diesen ganzen Anfangshormonterror überspringen und direkt in der gemütlichen Serotoninsuppe anfangen.“

„Wie langweilig. Da bleibt dann wirklich nur noch das geteilte Tiramisu und dann wird man gemeinsam dick und ...“

„... findet Frieden.“

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