Jasmin Ramadan Einfach gesagt: Kreischende Frauen in all ihren Erscheinungsformen
Kreischende Frauen sind ein Desaster“, sagte ich, als ich mit meiner neuen Mitbewohnerin vor der Glotze saß und ins Dschungelcamp gezappt hatte. Ein Model kroch kreischend durch einen verschleimten Gang.
„Kreischende Frauen in Bikinis sind noch schlimmer“, sagte meine Mitbewohnerin und ich sagte:
„Kreischende Frauen in Bikinis auf Jachten.“
Und sie:
„Kreischende Frauen in Bikinis auf Jachten beim Bachelor.“
Ich schenkte Rotwein nach und schaltete den Ton ab:
„Warum kreischen Frauen in Bikinis auf Jachten? Sind das Balzlaute?“
„Kann nicht sein“, sagte sie „Kein Mann steht da drauf. Ich denke, es ist so eine Art resignativ light-feministische Befreiung für einen bestimmten Frauentypus. Man hält sie sowieso für alberne Hüllen. Dann sind sie lieber alberne kreischende Hüllen. Sie akzeptieren ihre gesellschaftliche Rolle und gestalten sie aktiv mit.“
Kreischende Frauen treten meist im Rudel auf. Genauso wie gröhlende Männer. Männer gröhlen vermutlich, um Feinde zu vertreiben. Männer machen ja vieles, um Feinde zu vertreiben. Stinken, Rülpsen, Furzen, nur über sich reden, breite Beine machen, Bier in öffentlichen Verkehrsmitteln trinken und sich die Nasenhaare wachsen lassen. Natürlich nicht alle Männer. Es kreischen ja auch nicht alle Frauen.
Angela Merkel hat noch nie gekreischt – wenn sie jubelt, hebt sie nur verhalten die Arme und lächelt gefasst. Angela Merkel muss nicht kreischen und sie braucht auch keinen Bikini. Sie bekommt auch so genug Aufmerksamkeit. Queen Elisabeth auch. Und natürlich Meryl Streep oder Cate Blanchet. Hannah Arendt und Simone de Beauvoir wussten sicher nicht mal, wie Kreischen überhaupt geht, obwohl sie sonst alles wussten. Klasse kreischt nicht. Alle Frauen sollten es unterlassen, der Feminismus wird sonst niemals siegen.
Denn das Kreischen ist ein Ausweich- und Abwehrverhalten. Gedanken- und Reflektionsabwehr. Frauen, die nicht anecken mögen, die nie Haltung zeigen oder deutlich einen politischen Standpunkt vertreten, kreischen stattdessen dann und wann zum Ausgleich oder zum Auffallen.
Oder es ist einfach hilfreich und ich sollte es auch mal versuchen: Das Kreischen potenziert womöglich jegliche Freude um ein Vielfaches. Und Angst wird dadurch relativiert. Gekreische verstärkt das jeweils Vorhandene, so wie Alkohol das auch tut. Vielleicht braucht man keine Drogen mehr, wenn man nur regelmäßig rumkreischt. Dem widerspricht allerdings, dass kreischende Frauen in Bikinis auf Jachten oft ein Glas Prosecco oder Batida de Coco in der Hand halten.
Mit dem Alter scheint das Kreischbedürfnis abzunehmen, so wie bei Männern der Drang, sich grundlos zu prügeln. Ach, es sind doch alle Geschlechter gleichdoof, deshalb, allein deshalb müssen sie auch absolut gleichgestellt sein.
Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Frauen in Bikinis auf Jachten hätten es gebührend begrüßt.
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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