Jan-Paul Koopmann Popmusik und Eigensinn: Das avantgardistische Hit-Monster
Das mit diesen „Greatest Hits“ der Einstürzenden Neubauten ist auch knapp zwei Jahren nach Tourstart noch ein bisschen lustig. Es ist ja auch ein Witz, muss es ja sein, weil Blixa Bargeld doch wohl niemals im Ernst von einem Produkt seines avantgardistischen Bandungetüms als „Hit“ reden würde. Dass er die Vorstellung aber offenbar so absurd findet, dass er diesen eitlen Witz überhaupt macht, wäre bereits die zweite Pointe. Eine zum Augenrollen allerdings.
Naja, und drittens auch noch lustig ist dann, dass die paar wirklich bekannten Neubauten-Stücke, die mutige Banausen auch einen Hit schimpfen könnten, zum größten Teil gar nicht dabei sind: Auf dem „Greatest Hits“-Album nicht, auf den kursierenden Setlists der Tour nicht und ziemlich sicher auch in Bremen nicht, wo die Einstürzenden Neubauten nun das Metropol-Theater bespielen.
„Der Tod ist ein Dandy“, „Seele brennt“ oder „Feurio“ werden Sie zum Beispiel nicht hören – überhaupt nur zwei Songs aus den ersten 20 Jahren Bandgeschichte. (falls es jemanden genauer interessiert: Die Alben „Silence is sexy“ und „Alles wieder offen“ stellen fast das ganze Programm) Ob das jetzt schlecht ist? Keine Ahnung. Immerhin bleiben einem so alte Männer erspart, die einem retromanisch was von den 80ern vorsingen, vom Lebensgefühl und so weiter. Die Neubauten kommen in solchen Geschichten oft vor, stehen für dieses alte West-Berlin mit Nick Cave und so weiter. Oder wahlweise auch für die versammelte zweite Reihe ihrer Epigonen aus der Gothic-Szene, wo man sich in Sachen verschachtelter Sprachkunst viel von Bargeld abgeguckt hat.
Das alles kommt zwar nicht vor, sehr wohl aber der Moment, als das alles den Bach runtergeht: In „Die Befindlichkeit des Landes“ geht es nämlich schon um das verschwundene alte Berlin, vor allem aber um das neue, das auch schon nicht mehr aufregend ist. „Die neuen Tempel haben schon Risse“, heißt es da, „künftige Ruinen / einst wächst Gras auch über diese Stadt / über ihrer letzten Schicht.“ Und das eben zu einer Musik, die zwischendurch wirklich noch so irritieren kann wie damals. Vielleicht auch gerade, weil die alten Hits hier nicht noch mal nachgeträllert werden.
Do., 22. 11., 20 Uhr, Metropol-Theater
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