Jäher Absturz von TSG Hoffenheim: Extremisten in der Krise
Die TSG Hoffenheim ist die zweitschlechteste Mannschaft der Bundesliga-Rückrunde, die Konflikte häufen sich. Kann Trainer Ralf Rangnick die Saison noch retten?
Die TSG 1899 Hoffenheim ist kein normaler Verein, man darf sich da keinen Illusionen hingeben. Wer sich dem nur 3.300 Seelen zählenden Dorf übers noch kleinere Nachbardorf Zuzenhausen nähert, bekommt eine Ahnung davon. Dort sind immer deutlicher die Konturen des neuen Trainingszentrums zu erkennen, das demnächst Übungsstätte der Profimannschaft sein wird. In einem unnachahmlichen Tempo ist innerhalb von drei Jahren aus einem Regionalligisten ein hoch beneideter und beachteter Bundesligist geworden. Wer über die Autobahn kommend nach Hoffenheim fährt, sieht schon von weitem die Rhein-Neckar-Arena als einen Leuchtturm der Region strahlen - so würden es die Wirtschaftslobbyisten der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) ausdrücken, die der Mannschaft von Trainer Ralf Rangnick jüngst den MRN-Award 2008 verliehen haben.
Doch seit die Mannschaft von Trainer Ralf Rangnick ihre Heimspiele in dem nach offiziellen Angaben 60 Millionen Euro teuren Fußballkästchen in Sinsheim austrägt, ist die Erfolgsserie gerissen. Kein Sieg in den letzten neun Spielen, nur neun Punkte aus zehn Rückrundenspielen - die TSG 1899 stellt die zweitschlechteste Mannschaft der Rückrunde. Und wenn 1899 am Samstag bei der noch schlechteren badischen Konkurrenz vom Karlsruher SC antritt, treffen zwei Klubs in tiefer Krise aufeinander.
Miserabler als die Hoffenheimer ist noch kein Herbstmeister aus dem Winter gekommen. Von der Wucht der negativen Entwicklung sind sie schon ein wenig überrascht. "Die Situation jetzt ist genauso außergewöhnlich wie die in der Vorrunde", sagt Ralf Rangnick. Noch nie habe er in seiner 20 Jahre langen Trainerlaufbahn eine Mannschaft trainiert, die so viel habe wegstecken müssen wie die junge Hoffenheimer zuletzt. Dass der Absturz auf Platz sechs nicht nur eine Verletzten- und Ergebniskrise ist, geben sie mittlerweile offen zu. Letzte Woche stellte Rangnick öffentlich klar: "Die absolute Bereitschaft, dem anderen zu helfen, ist uns abhanden gekommen." Dennoch wiegen natürlich die langwierigen Verletzungen von wichtigen Kräften wie Ibisevic, Ibertsberger und Jaissle sowie längere Pausen von Obasi, Salihivic, Ba, Gustavo und Eduardo schwer. Immer wieder ist der Trainer gezwungen, Personal, Taktik und System umzustellen. Zudem erwiesen sich die Winterzugänge nicht als Verstärkung. Im Gegenteil: Sanogo versagte als Ibisevic-Ersatz und Timo Hildebrand ist aufgrund seiner häufigen Verletzungen vom Hoffnungsträger zur tragischen Figur geworden. Wegen der Sperre von Daniel Haas muss morgen in Karlsruhe nun die Nummer 3, Ramazan Özcan, ins Tor.
Doch viel mehr schmerzen die Hoffenheimer Macher die zuletzt offen zutage getretenen Eifersüchteleien und Undiszipliniertheiten. Diese verärgern vor allem Mäzen Dietmar Hopp. Verständnislos reagierte Hopp deshalb auf die fünf Spiele Sperre, die sich Wiederholungstäter Carlos Eduardo nach einem Ellenbogencheck gegen Bochums Bönig eingehandelt hat. Hopp will Vorbilder für die Jugend und keine Problemfälle in Hoffenheim sehen. Auch Rangnick reagierte erbost, nachdem nach dem Nulldrei gegen Bochum Kapitän Selim Teber in der Mixed Zone Mitspieler kritisierte. Teber verlässt Hoffenheim im Sommer. Rangnick stutzte Teber trotzdem gehörig zurecht. Manch einer im Team hat den Hype um Hoffenheim in der Vorrunde nicht verkraftet. Die TSG 1899 ist zwar kein normaler Verein, hat aber offenbar ganz normale Profis unter Vertrag, die früh sehr viel Geld und Anerkennung bekommen. Auch das muss der ein oder andere im Kader verkraften lernen.
Über besondere Spielformen und Gespräche will der Trainer den alten Geist wieder wecken. Vielleicht ist es so, dass schon ein Erfolgserlebnis genügt, um die Wende einzuläuten. "Ein Sieg in Karlsruhe, und schon sieht die Welt wieder anders aus", glaubt Abwehrmann Per Nilsson, der unbedingt einen Platz unter den ersten fünf in der Tabelle erreichen will. Über Tabellenplätze zu reden, verbiete sich nach einem Spiel wie gegen Bochum, meint indes Rangnick. Der Coach "hält es für nicht möglich, dass wir demnächst wieder aus einem Guss spielen". "Dafür", sagt er, "ist in den letzten Monaten zu viel passiert." Die Hoffenheimer Spieler pendelten in ihren bislang 27 Bundesligaspielen zwischen den Extremen, ihre Mitte haben sie noch nicht gefunden.
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